150 Minuten in Taipei
O. K., wir haben gerade die Shows in Taipei beendet – alle neun. Die letzte Aufführung war eine Matinee, und nach dem Verlassen der Bühne und dem Packen haben wir den Abend frei. Also was jetzt tun?
Taipei ist eine Stadt, die niemals schläft. Genau wie New York, aber mit einem Hauch von Asien. Uns bleiben kostbare zweieinhalb Stunden. Wohin sollen wir gehen?
In Taipeh gibt es so viel zu sehen und zu unternehmen: Das belebte Ximending Viertel, Taipei 101 (bis jetzt das höchste Gebäude der Welt), der Hafen von Tamsui … Und überall kann man Shoppen gehen – Gongguan, SOGO, selbst der Bahnhof von Taipei hat ein riesiges Einkaufszentrum. Was machen wir mit unseren 150 Minuten?
Auf zu Taipeis Top Attraktion – dem Nacht-Markt.
Da Ximending am nächsten zu unserem Hotel gelegen ist, fangen wir dort an. Es wird schon dämmerig, als wir uns auf den Weg machen, und zunächst sind nicht viele Menschen auf der Straße. Aber als wir näher kommen, könnte man denken, der Tag bricht gerade mit seinen emsigsten Stunden an. Eine Menge Leute aus Taipei, die meisten jung, sind überall: Beim Shoppen, beim Essen, Treffen mit Freunden, es sich gut gehen lassen.
Umgeben von Taiwanesen unseres Alters fühlen wir uns doch etwas fehl am Platz mit unseren schwarzen Turnschuhen und einfachen T-Shirts. Die Mädels um uns herum tragen Leggings und Röcke, verrückte bunte und überladene Tops. Alle haben sie ähnlich geschnittene Ponys über dunkel eingefassten Brillen.
„Ojeh, da haben wohl viele Menschen schlechte Augen“, denke ich zuerst. Aber dann kommen wir an mehreren Geschäften vorbei, die genau diese Gestelle verkaufen, nur die Brillengestelle, ohne Gläser. – Also wird mir klar – das ist nur eine Mode.
Wir schlendern die Straße entlang, schauen zuweilen in interessante Boutiquen. Ximending ist super, hier findet man Klamotten, Schuhe und was dazu gehört in reicher Auswahl. Von einem vierstöckigen UNIQLO bis zu ortsüblichen Geschäften mit tollen Angeboten,
wir könnten hier Stunden verbringen.
Aber wir haben mehr vor. Unser nächster Stopp – ein Paradies für den Gaumen.
Der Shilin Nacht-Markt
Der berühmte Nacht-Markt von Shilin ist 15 Auto-Minuten von Ximending entfernt. Aber statt eines Taxis entscheiden wir uns für die Metro und gehen damit dem Verkehr aus dem Wege. Als wir unten in die Halle der Ximen Haltestelle kommen, ist mein erster Gedanke: „Sehr geordnet.“
Obwohl Taipei eine so dicht bewohnte Stadt ist, kann man sich nur wundern, wie sauber die Metro ist. Und nichts einfacher, als das Benutzen dieses Systems. Alles ist in Chinesisch und Englisch angegeben. Man fährt schnell und billig. Von Ximen nach Shilin kostet es nur 0,68 US-Dollars pro Person.
Wir durchqueren die Stationen im Eilschritt um Zeit zu sparen … wir haben nur noch 80 Minuten.
Als wir in Shilin ankommen, sind wir ziemlich hungrig. Also vertun wir keine Zeit. In Shilin gibt es eine riesige Untergrund-Plaza, wo alle möglichen Arten von taiwanesischen Snacks verkauft werden. Wir sehen alles, vom gebratenen Oktopus bis zu Smoothys aus Durianfrüchten. Und natürlich all das Übliche, wie Kekse aus Roten Bohnen, In Scheiben geschnittenes Eis mit unterschiedlichen Garnituren, Waffeln mit Frühlingszwiebeln usw. Oh, und natürlich bubble milk tea.
Aber heute möchte ich auch etwas Neues ausprobieren, und bald bin ich auch froh darüber, denn ich habe meinen neuen Liebling entdeckt – Sarg-Brot. Es ist hauptsächlich dicker texanischer Toast, gebraten und innen ausgehöhlt, gefüllt mit einer Art Suppe mit Hühnchen oder Ananas oder was auch immer man wählt. Dann wird dieser Sarg verschlossen. Eigentlich sowas wie versiegelt. Wer jemals nach Taiwan kommt, muss das probieren. Es ist unglaublich lecker.
Der Rückweg der gleiche, bis auf zwei Dinge: 1. Ich entdecke, dass Essen in der U-Bahn nicht erlaubt ist. 2. Wir rennen. Wie haben so viel Zeit damit verbracht, hier und da Essen mit zu nehmen, zu kaufen und zu essen, dass wir ziemlich hinter unserem Zeitplan her hinken und es hoffnungslos erscheint. Selbst den ganzen Weg nur zu rennen, scheint nicht wirklich erfolgversprechend.
Die Tatsache, dass wir Tänzerinnen sind, hat uns gerettet. Mit Hüpfen und Sprüngen sind wir um 21:58 Uhr zurück im Hotel, noch zwei Minuten vor der Zeit.
In dieser Nacht haben wir wohl eine Art Rekord gebrochen. Und zwar möglicherweise für die meisten in einer Metro-Station verbrannten Kalorien.
Cindy Liu
Erste Tänzerin
24. März 2013