7 Unterschiede zwischen Ballett und klassischem chinesischem Tanz
Im Westen sind wir mit dem Ballett und Aufführungen wie dem Nussknacker oder Schwanensee vertraut. Aber es gibt noch eine andere klassische Form des Tanzes, die erst vor kurzem auf der internationalen Bühne aufgetaucht ist. Es handelt sich um den klassischen chinesischen Tanz.
Der klassische chinesische Tanz ist eine unglaublich anspruchsvolle, hoch entwickelte und ausdrucksstarke Tanzform. Neben dem Ballett ist er eines der umfassendsten Tanzsysteme, die die Menschheit kennt.
Bis vor einigen Jahren haben sehr wenige Menschen außerhalb Chinas jemals vom klassischen chinesischen Tanz gehört. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass chinesische Ensembles bei ihren Auftritten im Ausland den chinesischen Tanz oft mit Ballett, zeitgenössischem und modernem Tanz und Jazz vermischten. Und so verließen die Zuschauer das Theater, ohne genau zu wissen, was sie denn gerade gesehen hatten.
Im Jahr 2006 wurde jedoch Shen Yun Performing Arts in New York gegründet. Die Gründungsmission war, die ursprüngliche traditionelle Kultur zu neuem Leben zu erwecken. Dazu gehörte auch die Präsentation des klassischen chinesischen Tanzes in seiner reinsten Form. Kaum zehn Jahre später ist klassischer chinesischer Tanz schon zu einem Begriff geworden und hat einen gewaltigen Einfluss auf andere Kunstformen ausgeübt.
Was ist also der Unterschied zwischen Ballett und klassischem chinesischem Tanz? Beide können unglaublich schön sein. Beide haben sehr athletische Aspekte und erfordern viele Jahre disziplinierter, harter Arbeit. Und doch ist das Gefühl, das man beim Betrachten dieser beiden Tanzformen bekommt, sehr unterschiedlich. Um das tatsächlich zu erfahren, muss man sich eine Aufführung von klassischem chinesischem Tanz anschauen.
Daher hier als Einführung einige grundlegende Unterschiede.
Erster Unterschied: Die Geschichte
Das Ballett hat eine Geschichte von einigen hundert Jahren. Man kann sie bis zur italienischen Renaissance im 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Kunstform wurde etwa hundert Jahre später unter König Ludwig XIV. systematisiert.
Der klassische chinesische Tanz hat seine Wurzeln in fünftausend Jahren chinesischer Zivilisation. Seine Ursprünge gehen zurück auf Tänze in den alten Kaiserpalästen und auf Volkstraditionen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Einige Elemente wurden durch die Kampfkünste bis in die heutige Zeit bewahrt, doch dazu gleich mehr.
Zweiter Unterschied: Das Training
Das Training des klassischen chinesischen Tanzes umfasst drei Hauptkomponenten – technisches Können, Form und Haltung. Die Techniken des klassischen chinesischen Tanzes auf hohem Niveau sind auch unglaublich anspruchsvoll und beinhalten viele Bewegungen, die im Ballett nicht zu finden sind (mehr dazu weiter unten).
„Form“ ist ein System zahlreicher spezifisch chinesischer Bewegungen und Posen. Aber der vielleicht wichtigste Teil des Trainings ist die „Haltung“ oder auf Chinesisch – yun (dasselbe yun wie in Shen Yun). Yun ist das innere Gefühl hinter einer Bewegung. Es ist eng mit der Atmung und dem geistigen Zustand des Tänzers verbunden und spiegelt auf einzigartige Weise die Persönlichkeit des Tänzers wider.
Dritter Unterschied: Körperlichkeit
Auf professionellem Niveau sind die Tänzer sowohl beim Ballett als auch beim klassischen chinesischen Tanz unglaublich fit, schlank und verfügen über eine scheinbar unmenschliche Biegsamkeit und Muskelkontrolle. Aber die beiden Trainingsstile führen auch zu Unterschieden in der Körperlichkeit der Tänzer.
Einfach ausgedrückt: Ballett und klassischer chinesischer Tanz setzen die Muskeln unterschiedlich ein. Das Ballett baut auf der vorhandenen menschlichen Anatomie auf, um die Muskeln auf eine neue Art und Weise zu entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse des Balletts zugeschnitten ist.
Der klassische chinesische Tanz jedoch benutzt die gleichen Muskeln, die wir täglich gebrauchen, und verlangt nicht, dass sie speziell entwickelt werden. Die Muskeln, die ein Tänzer benutzt, wenn er geht, läuft oder Basketball spielt, sind die gleichen Muskeln, die im klassischen chinesischen Tanz benutzt werden.
Wenn man also Tänzer des klassischen chinesischen Tanzes auf der Straße gehen sieht, wird man nur eine körperlich fitte Person mit toller Körperhaltung und anmutigem, leichtem Gang wahrnehmen.
Vierter Unterschied: Die Technik
Das moderne Ballett hat Techniken aus verschiedenen Kunstformen übernommen, darunter auch aus dem klassischen chinesischen Tanz. Wenn man jedoch das traditionelle Ballett und den klassischen chinesischen Tanz vergleicht, fällt den Zuschauern oft die Bandbreite und der Schwierigkeitsgrad der klassischen chinesischen Tanztechniken auf.
Zum Beispiel werden Drehungen anders ausgeführt. Beim Ballett geschieht das vertikal, wobei sich der Körper in einer perfekt vertikalen Achse befindet. Im klassischen chinesischen Tanz werden diese Techniken mit nach vorn geneigtem, nach oben gekipptem oder nach hinten gedrehtem Oberkörper ausgeführt, sodass die Drehungen auf mehreren Ebenen stattfinden können. Klassische chinesische Tänzer können sich sogar mit einem hochgehaltenen Bein über dem Kopf drehen.
Ein anderes Beispiel sind die Salti (fanteng) des klassischen chinesischen Tanzes, die es beim Ballett nicht gibt. Bei Aufführungen von Shen Yun sorgen diese Saltos oft für einen Aufschrei im Publikum.
Manchmal werden diese Bewegungen fälschlicherweise als „Akrobatik“ oder „Turnen“ bezeichnet, in Wahrheit ist es aber genau das Gegenteil. Diese schwierigen Salti kommen ursprünglich aus dem klassischen chinesischen Tanz und haben eine jahrtausendealte Geschichte.
Vor einigen Jahrzehnten begannen chinesische Turner, diese Bewegungen aus dem klassischen chinesischen Tanz zu übernehmen und sie bei den Olympischen Spielen vorzuführen. So haben die meisten Menschen im Westen von ihnen erfahren, und deswegen ist nicht allgemein bekannt, woher sie eigentlich stammen.
Fünfter Unterschied: Die Verbindung zur Kampfkunst
Der klassische chinesische Tanz hat eine besondere Verbindung zur Kampfkunst. Im Ballett gibt es diese nicht. Der klassische chinesische Tanz und die chinesische Kampfkunst kann man als Geschwister mit gleichen Talenten betrachten, die unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.
Im alten China traten die Generäle bei großen Feierlichkeiten im Kaiserpalast vor dem Kaiser auf. Genau die gleichen Kampfsport-Bewegungen, die sie auf dem Schlachtfeld einsetzten, wurden zu einer Kunstform, dem Tanz.
Die Bewegung, einem Speer auszuweichen, wurde beispielsweise als Rückwärtssalto Teil des Tanzes; die Abwehr eines gleichzeitigen Angriffs von allen Seiten wurde im Tanz zu sao tang oder „Drehung des Halle-Auskehrens“.
Es ist nicht so, dass sich das eine aus dem anderen entwickelt hat. Vielmehr ist es so, dass dieselbe Technik, die im Kampf verwendet wird, Kampfkunst und zivil verwendet Tanz ist. Die chinesische Sprache hat sogar einen Hinweis darauf: Das wu in wu shu (Kampfkunst) und das wu in wu dao (Tanz) werden unterschiedlich geschrieben, aber gleich ausgesprochen.
Sechster Unterschied: Kultureller Einfluss
Das Ballett aus dem Westen und der klassische chinesische Tanz aus dem Osten basieren auf ihrem unterschiedlichen kulturellen Erbe. Dieser Unterschied ist nicht greifbar, aber vielleicht kann ein Beispiel helfen, ihn zu verdeutlichen.
Wenn man sich in der westlichen Kultur jemandem nähert, um mit ihm zu sprechen, tut man das normalerweise, indem man direkt auf ihn zugeht. In der traditionellen östlichen Kultur tut man das, indem man sich dieser Person auf einem Umweg nähert, auf einer Kreisbahn.
Dieser Unterschied wird sichtbar dadurch, dass das Ballett lineare, klare Bewegungen betont, während der klassische chinesische Tanz runde, kontinuierliche Bewegungen ohne Unterbrechungen bevorzugt. Auch im Ballett gibt es vollkommen runde Bewegungen und Posen, aber im klassischen chinesischen Tanz ist die Kreisform ein grundlegendes Attribut, das alle Bewegungen durchdringt.
Zum Beispiel ist der „Ziffer-acht-Kreis“ (ba zi yuan) eine Bewegung, die an ein geschlungenes Band erinnert. Um vorwärtszugehen, beginnt die Bewegung rückwärts, und um nach links zu gehen, geht es zuerst nach rechts – so bildet es zusammen genommen die Figur einer Acht. Diese Bewegung kann eine kleine Geste mit der Hand oder eine große offene Drehung des gesamten Körpers sein und verleiht selbst den winzigen Bewegungen des klassischen chinesischen Tanzes eine gewisse Komplexität.
Siebter Unterschied: Die Fußarbeit der Damen
Ein letzter Unterschied, den sofort ins Auge fällt, ist die Art und Weise, wie sich die Tänzerinnen über die Bühne bewegen. Im Ballett bewegt man sich häufig auf den Zehenspitzen, mit einem perfekt durchgestreckten Bein, das bis zu den Zehenspitzen reicht. Manchmal bewegt sich eine Balletttänzerin auch in großen, dramatischen Schritten, die die Offenheit betonen.
Im klassischen chinesischen Tanz bewegen sich die Frauen, sofern sie nicht gerade eine Technik vorführen, mit schnellen Minischritten, bei denen sie von der Hacke bis zu den Zehen abrollen. Es sieht so aus, als würden sie weniger gehen als vielmehr über die Bühne gleiten. Die Bewegungen sind so schnell und geschmeidig, dass es so wirkt, als würden die Tänzerinnen auf einer Wolke dahingleiten.
Universelle Schätze
Die eine Form des Tanzes ist bekannter, die andere ist weniger bekannt, dafür umso älter. Doch trotz ihrer Unterschiede haben sowohl das Ballett als auch der klassische chinesische Tanz die Fähigkeit, Geschichten lebendig zu erzählen und uns durch schöne Kunst zu berühren.
Hier finden Sie weitere Quellen, um mehr über den klassischen chinesischen Tanz zu erfahren. Es gibt jedoch nichts Besseres, als ihn live zu erleben.