THE HILL: „Der wahre Grund, warum das kommunistische China Angst vor Shen Yun hat.“

Obwohl Shen Yun ein überwältigendes Spektakel chinesischer Kultur präsentiert, hat es in den westlichen Medien in letzter Zeit einige Kontroversen ausgelöst. Obwohl die Tanzshow vor vollen Häusern auftrat, mit stehenden Ovationen bedacht wurde und in leidenschaftlichen Kritiken ihre „inspirierende Kraft“ bekräftigt wurde, haben einige kritische Stimmen auch die religiös-politischen Botschaften in einigen der Tanzstücke bemängelt.

Diese Rhetorik ist häufig auf die vehemente und diffamierende Verurteilung der Show durch den chinesischen Staat zurückzuführen. China hat seinen wirtschaftlichen und diplomatischen Einfluss genutzt, um Druck auf Theater und Ministerien in der ganzen Welt auszuüben und Aufführungen von Shen Yun zu stören. Im Jahr 2016 drohte die chinesische Botschaft in Südkorea mit finanziellen Vergeltungsmaßnahmen gegen ein Theater in Seoul, in dem Shen Yun auftreten sollte, und erzwang die Absage einer Aufführung nur wenige Tage vor deren Beginn.

Warum also geht die Kommunistische Partei Chinas so weit, um eine Aufführung zu sabotieren, die die chinesische Kultur fördert? Manche führen die aggressive Reaktion des Regimes darauf zurück, dass Shen Yun in zwei von 20 Tanzstücken die Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung in China thematisiert. Tatsächlich gibt es jedoch einen subtileren und tieferen Grund für die unerbittlichen Bemühungen des Regimes, die Show im Ausland zu verhindern.

Falun Gong, das seine Wurzeln in buddhistischen und daoistischen Traditionen hat, erzielte in den 1990er-Jahren in Festlandchina eine große Popularität. Es wurde 1999 verboten und wird seither brutal verfolgt. Die Kommunistische Partei Chinas erklärte die Gruppe rückwirkend zu einer „bösen Sekte“, um ihre grausamen Handlungen wie Massenverhaftungen, Folter und erzwungene Organentnahme zu rechtfertigen. Unter den Falun-Gong-Praktizierenden, die aus Sicherheitsgründen ausgewandert sind, gründete eine Gruppe professioneller Tänzer und Musiker in Upstate New York das Ensemble Shen Yun Performing Arts, um ihren spirituellen Glauben und ihr chinesisches Erbe frei zu zelebrieren.

Ihre Interpretation der traditionellen chinesischen Kultur unterscheidet sich deutlich von der offiziell von der Kommunistischen Partei vertretenen Version. Mit ihrer erzählerischen Darstellung von Episoden, die von der chinesischen Geschichte und Literatur inspiriert sind, erhebt Shen Yun Anspruch auf eine „wahre chinesische Tradition“, die von der konfuzianischen Moral sowie von buddhistischen und daoistischen Vorstellungen von Spiritualität geprägt ist. – Das sind Ideen, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben, die jedoch nach der kommunistischen Machtübernahme von 1949 angeprangert und unterdrückt und während der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 fast vollständig ausgerottet wurden.

Vor diesem historischen Hintergrund kann die anhaltende Verfolgung von Falun Gong durch die chinesischen Kommunisten als Teil einer umfassenderen Kampagne gegen religiöse Überzeugungen und traditionelle kulturelle Werte betrachtet werden. In der Tat zeugt das anmaßende Bestreben des Regimes, die Tanzshow zu zensieren, von seiner tief sitzenden Unsicherheit hinsichtlich seiner eigenen angeblichen Legitimität, die chinesische Zivilisation zu verkörpern.

Der Anspruch von Shen Yun, die chinesische Tradition zu repräsentieren, ist zumindest aus kunsttheoretischer Sicht richtig. Im Mittelpunkt der Ausbildung ihrer Darsteller steht der klassische chinesische Tanz, eine Kunstform, die erst in den 1950er-Jahren institutionalisiert wurde, die jedoch alle ihre Schrittmuster, Körperhaltungen und akrobatischen Techniken aus jahrhundertealten volkstümlichen Traditionen wie Theater und Kampfkunst übernommen hat.

Vor allem aber übernahm sie eine Reihe traditioneller künstlerischer Theorien, die auf der daoistischen Metaphysik und Kosmologie beruhen und den kontinuierlichen Fluss einer spirituellen Resonanz jenseits der Bewegung der physischen Form vorschreiben. Diese Theorien verloren im 20. Jahrhundert allmählich ihre intellektuelle Substanz, vor allem, nachdem die Kommunistische Partei die traditionellen Denkschulen systematisch durch Atheismus und marxistischen Materialismus verdrängt hatte. Dadurch wurden die künstlerischen Werte im besten Fall zu leerer Rhetorik und im schlimmsten Fall zu dem, was die Kommunisten als „abergläubische Fesseln der feudalen Vergangenheit“ anprangerten.

Die Künstler von Shen Yun haben die kommunistischen Einflussnahmen umgangen und die intellektuellen und kosmologischen Grundlagen Chinas in ihrem Verständnis von Tanz berücksichtigt. Die spirituellen Lehren des Falun Gong, denen die Macher der Show folgen, beinhalten eine grundlegende Einheit zwischen dem Materiellen und dem Spirituellen, mit der der Mensch versuchen sollte, in Einklang zu kommen. Für den Tänzer ist es daher wichtig, seinen eigenen moralischen Charakter zu verfeinern und gleichzeitig seine körperlichen Fähigkeiten zu verbessern, sodass tugendhafte Gedanken vom Herzen auf den Körper übergehen können, wenn er Geschichten von Heldentum, Güte und Hingabe vorträgt.

Diese spirituelle Interpretation der chinesischen Kultur hat weltweit eine beeindruckende Wirkung entfaltet. Westliche Zuschauer berichten, dass sie sich nach der Aufführung seelisch erhoben fühlen. Auch chinesische Zuschauer sind tief bewegt von einer „wahren Tradition“, die es in China seit Mao nicht mehr gegeben hat.

Die inspirierende Vision dessen, was China ohne die Kommunistische Partei war und sein könnte, muss den autoritären Staat zutiefst verunsichert haben. Denn sobald die künstlich miteinander verbundenen Vorstellungen von „China“ und der Partei entkoppelt sind, wird der beharrliche Anspruch des Regimes, der einzige legitime Hüter und Sprecher der chinesischen Zivilisation und Kultur zu sein, untergraben.

In den letzten Jahren hat sich die ablehnende Rhetorik der Kommunistischen Partei Chinas gegen Shen Yun in die westliche Kritik eingeschlichen, die das Bemühen der Gruppe, eine spirituelle Kultur angesichts der autoritären Unterdrückung zu reanimieren, als heimtückische politische und religiöse Propaganda darstellt.

Kunst, von der Vision der ewigen Strafe in Michelangelos Jüngstem Gericht bis zur gefährlichen Flucht der Familie von Trapp vor der Verfolgung durch die Nazis in The Sound of Music, hat nie in einem sozialen Vakuum existiert, aber sie war auch immer größer als die Politik des Augenblicks. Wenn man Politik und Religion als alleinigen Zweck der Kunst von Shen Yun ansieht und nicht den Kontext, in dem sie stattfindet, dann verleugnet man die lebenswichtige menschliche Erfahrung von Hoffnung und Güte, die viele der Zuschauer, unabhängig von ihrer politischen und religiösen Orientierung, bereits aus der Show mitgenommen haben.

Yuefeng Wu ist Doktorand in Kunstgeschichte an der Johns Hopkins University.