Porträt: Erste Tänzerin Madeline Lobjois
Das Magazin Taste of Life ist Frankreichs und Kanadas führendes zweisprachiges Luxus-Lifestyle-Magazin in chinesischer und englischer Sprache. Es will eine Brücke zwischen Ost und West bauen durch die gegenseitige Wertschätzung der Schönheit und Eleganz beider Traditionen.
In der letzten Ausgabe des TOL wurde Shen Yuns Erste Tänzerin Madeline Lobjois vorgestellt. Lobjois ist seit 2008 bei Shen Yun. In den Jahren 2008 und 2009 gewann sie jeweils den zweiten Platz im Internationalen Klassischen Chinesischen Tanzwettbewerb von New Tang Dynasty Television (Frauen-Kategorie). Lobjois tourt in dieser Spielzeit mit der Shen Yun International Company durch Ostasien und Ozeanien.
Aus Taste of Life: Eine anmutige Mischung von Ost und West
Von Tara dos Santos | 26. März 2018
Die klassische chinesische Tänzerin Madeline Lobjois hat die Tiefgründigkeit und Göttlichkeit der chinesischen Kultur durch die Darstellung legendärer Charaktere auf der Bühne zu schätzen gelernt.
Lobjois selbst bewegt sich elegant zwischen zwei Kulturen. Als eine der weltbesten klassischen chinesischen Tänzerinnen ist sie mütterlicherseits mit der langen Geschichte und reichhaltigen Kultur Chinas verbunden. Geboren und aufgewachsen ist sie aber in Frankreich, ihr Vater ist Franzose.
Die Einflüsse von Ost und West vermischen und ergänzen sich in ihr - in ihrer Erscheinung, Wesensart, Disziplin, Bescheidenheit und den vielen anderen Eigenschaften, die sie zum Erfolg geführt haben.
Ihre anmutige Schönheit und ihr Temperament stechen sofort ins Auge. Von ihren Eltern hat sie sowohl östliche als auch westliche Züge geerbt. Durch jahrelanges Tanztraining hat sie eine perfekte Haltung und perfektes Auftreten entwickelt. Kultiviertheit, Ausgewogenheit und Grazie begleiten sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch in ihrem alltäglichen Leben.
Ihre westlichen Charakterzüge zeigen sich durch Direktheit und Offenheit; der asiatische Einfluss auf ihre Persönlichkeit zeigt sich in Bescheidenheit und Hartnäckigkeit. Lobjois hat viel von beiden Kulturen gelernt, sagt sie.
„Meine Mutter hatte wahrscheinlich mehr Einfluss auf mich, deshalb fühle ich mich mehr wie eine Chinesin. Sie war strenger als westliche Eltern. Sie wollte mich nie zu sehr loben, was mich seit meiner Kindheit gelehrt hat, bescheiden zu sein”, erklärt Madeline Lobjois. „Deshalb habe ich nicht das Gefühl, irgendwie besonders zu sein. Diese Art von Persönlichkeit hat mir sehr geholfen, nachdem ich nach New York gekommen bin, um hier zu studieren und zu leben.”
2007 begegnete Lobjois Shen Yun zum ersten Mal in Paris. Die in New York ansässige Performance Company sollte zu ihrer Leidenschaft und Mission werden.
Die erste Vorstellung sah sie sich gemeinsam mit ihren Eltern an. Es war das erste Mal, dass sie klassischen chinesischen Tanz sah. „Ich fand die Tänzer auf der Bühne ungewöhnlich schön. Eine Freundin meiner Mutter meinte, ich hätte ein Talent zum Tanzen, weshalb ich beschloss, damit anzufangen.”
Schließlich bewarb sich Lobjois an der Fei Tian Academy of the Arts in New York, wo sie klassischen chinesischen Tanz lernte und bald für Shen Yun auftrat.
Madeline Lobjois wuchs in Frankreich auf, fühlte sich aber immer tief mit ihrem chinesischen Erbe verbunden. Diese Verbindung sollte sie auf eine mutige Reise weit weg von zu Hause führen.
Zu Beginn war ihre Mutter nicht begeistert von der Entscheidung ihrer Tochter: „Sie dachte wahrscheinlich daran, dass ich Frankreich noch nie verlassen hatte, und war wahrscheinlich besorgt, dass ich so weit weggehen würde“, erzählt Lobjois.
Aber die junge Frau war schon immer wagemutig.
Lobjois war ein lebhaftes und aktives Kind, das besonders gerne Sport trieb. „Ich war schon in meiner Kindheit sehr mutig. Einmal, als ich mit anderen Kindern auf einem Spielplatz war, kletterten wir hoch oben auf einem Gerüst, als jemand fragte, wer von uns es wagte, herunterzuspringen. Niemand traute sich, aber ich sprang, ohne zu zögern. Ich traute mich auch auf einem Fahrradsattel zu stehen, während ich mit voller Geschwindigkeit fuhr“, erzählt Lobjois.
Ihr unerschrockener Geist half ihr in den kommenden zehn Jahren. Sie war eine junge Frau, weit weg von zu Hause. Sie musste Mühen und Entbehrungen ertragen, die nötig waren, um ein hohes Maß an Tanzperfektion zu erreichen. Doch sie und die anderen Tänzerinnen taten dies mit Freude, sagt Lobjois. Denn sie empfanden eine starke Verbindung mit der Mission von Shen Yun.
Tänzer aus aller Welt hatten sich mit dem gemeinsamen Wunsch zusammengefunden, und waren entschlossen, Teil von Shen Yuns Mission zu werden und die authentische chinesische Kultur wiederzubeleben und weltweit zu verbreiten. Eine Kultur, die eine Geschichte von etwa 5.000 Jahren hat und als göttlich inspiriert gilt. Chinas kommunistisches Regime hat dieses Erbe seit Beginn der Kulturrevolution in den 60er Jahren nahezu zerstört.
Wegen dieser Unterdrückung war es für Madeline Lobjois tatsächlich einfacher, in Frankreich (wo sie Shen Yun sehen konnte) wahrer chinesischer Kultur zu begegnen als in China (wo Shen Yun verboten ist).
Die spirituellen Wurzeln der chinesischen Kultur sind für die Tänzer essenziell. Der Name Shen Yun bedeutet „die Schönheit der tanzenden göttlichen Wesen“. Der Ausdruck der inneren Haltung eines Tänzers, ist im klassischen chinesischen Tanz von wesentlicher Bedeutung.
Shen Yun Performing Arts startete nur ein Jahr vor Lobjois´ Eintritt. Sie konnte miterleben, wie die Künstlergruppe expandierte und zu einem weltweiten Top-Performance-Unternehmen aufstieg. Shen Yun startete 2006 mit einer Tanzkompanie. Heute touren fünf Gruppen um die Welt.
Jede Tourneegruppe verfügt über ein eigenes Sinfonieorchester. Wie Lobjois sind auch die Orchester eine Mischung aus chinesischen und westlichen Elementen. Alte chinesische Melodien und Instrumente, wie die zweisaitige Erhu, verbinden sich mit der Pracht eines westlichen Sinfonieorchesters.
Als eines der erfahrensten Mitglieder bei Shen Yun ist Lobjois sehr stolz und hoffnungsvoll. „Manchmal, wenn ich auf der Bühne tanze, sehe ich mich um und habe das Gefühl, dass alle Tänzerinnen um mich herum meine jüngeren Schwestern sind. Sie anzusehen ist wie die Zukunftshoffnung von Shen Yun zu sehen. Wir, die Veteranen, geben unser Bestes, um unsere Fähigkeiten und Erfahrungen an sie weiterzugeben.“
Vielleicht liegt es daran, dass Lobjois eine jüngere Schwester hat, und sie deshalb die Rolle einer großen Schwester für ihre Tanzkolleginnen spielt. „Als ich 11 oder 12 Jahre alt war, war meine Mutter sehr beschäftigt, so dass ich mich um meine Schwester kümmern musste. Ich hab sie unter anderem auch mit einfachen Mahlzeiten versorgt. Vielleicht bin ich daran gewöhnt und kümmere mich deshalb gerne um andere.“
Der klassische chinesische Tanz legt besonderen Wert auf den Ausdruck der inneren Haltung eines Tänzers. Das motiviert Tänzerinnen wie Madeline Lobjois, ihr Herz und ihren Geist ständig zu verbessern.
Die Hilfestellung für andere Tänzer und die Arbeit als Dozentin an der Fei Tian Universität haben ihre Tanzerfahrung bereichert. So wie Shen Yun gewachsen ist, so sind auch Madeline Lobjois´ Fähigkeiten als Tänzerin gewachsen.
„Schon seit ich jung bin, liebe ich es zu lernen. Ich denke, das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum mich der klassische chinesische Tanz anzieht. Er ist sehr reichhaltig. Es gibt immer etwas, das wir lernen müssen, und es gibt keine Grenzen für Verbesserungen”, sagt sie.
Während Überschläge und Drehungen ein aufregender und eindrucksvoller Teil des klassischen chinesischen Tanzes sind, ist er auch in seinen kleinsten Gesten ausdrucksstark.
Lobjois gibt ein Beispiel, wie Gedanken in die Bewegungen einfließen. „Jede Tanzbewegung hat einen Ausgangspunkt, von dem die Kraft ausgeht. Die Bewegung beginnt an diesem Punkt. Ich tanze seit mehr als 10 Jahren, und die Ausgangspunkte ändern sich ständig.“
„Zuerst haben wir am meisten auf die Bewegungen unserer Hände geachtet. Dann haben wir festgestellt, dass es nicht ausreicht, nur die Hände als Ausgangspunkt zu nehmen; der Ausgangspunkt sollte das Handgelenk, dann die Unterarme und die ganzen Arme sein und sich dann bis zu den Schultern erstrecken. Jedes Mal, wenn wir den Ausgangspunkt etwas ändern, können viele weitere Änderungen in den Bewegungen vorgenommen werden. Dann müssen wir immer wieder darüber nachdenken und üben“, fügt sie hinzu.
Die verschiedenen Rollen und Legenden, die Madeline Lobjois auf der Bühne spielt, lassen sie die chinesische Kultur immer tiefer verstehen. Shen Yun kreiert jedes Jahr eine ganz neue Vorstellung mit Tanzdramen und Tänzen, die von Chinas vielen verschiedenen ethnischen Gruppen stammen.
Während der Shen Yun-Tournee 2014 spielte Lobjois eine Prinzessin in dem Tanzdrama Der Affenkönig durchkreuzt die Pläne der bösen Kröte. Die Geschichte stammt aus dem klassischen chinesischen Roman „Die Reise in den Westen”. Die Prinzessin wird von einer bösen Kröte entführt, die sich dann selbst in eine Prinzessin verwandelt, um anderen zu schaden. Lobjois musste sowohl das Gute als auch das Böse der Figur darstellen, indem sie sowohl die echte als auch die falsche Prinzessin spielte.
Im Jahr 2016 spielte sie Chang’e in dem Tanzdrama „Die Frau im Mond”. Mit lebhaftem Ausdruck und gefühlvollem Tanz spielte Lobjois die verzweifelte Chang’e, die sich nach einem Unsterblichkeitstrunk auf dem Mond wiederfand und von ihrem geliebten Mann für immer getrennt wurde.
Beim Nachdenken darüber, welche Eigenschaften ihr helfen, diese Figuren darzustellen, sagt Lobjois: „Ich denke, es liegt wahrscheinlich an meinem westlichen Erbe.“
„Westliche Menschen sind unkomplizierter wenn es darum geht, ihre Gefühle auszudrücken. Man kann leicht erkennen, ob sie wütend oder glücklich sind. Im täglichen Leben bin ich es nicht gewohnt, meine Gefühle zu verbergen; deshalb habe ich einen natürlichen Zugang zur Rolle, ich kann sie spielen, sobald ich mich in sie hineinversetze“, erklärt sie.
Lobjois betont jedoch, dass die Aufführung des klassischen chinesischen Tanzes auch traditionelle chinesische Eigenheiten erfordert. „Ich habe eine Tänzerin gesehen, die in der westlichen Gesellschaft aufgewachsen ist. Wenn sie klassischen chinesischen Tanz vorführt, kann sie ihre Emotionen deutlich ausdrücken, aber man sieht auf einen Blick, dass sie es auf die Art und Weise macht, wie die westlichen Menschen ihre Emotionen ausdrücken, nicht die Chinesen.“
Madeline Lobjois hat die umfangreiche Ausdruckskraft des klassischen chinesischen Tanzes zu schätzen gelernt, während sie die starken Emotionen ihrer Figuren - von himmlischer Glückseligkeit bis zur Tragödie - in den vielfältigen Legenden darstellt, die Shen Yun auf die Bühne bringt.
„Die umfangreichen ethnischen Eigenheiten, die über Tausende von Jahren entstanden sind, lassen sich nur schwer in Worte fassen oder willentlich erzeugen”, so die Tänzerin. „Aber wenn man chinesischer Abstammung ist, hat man sie natürlich. Man muss nur lernen, sie zuzulassen und durch Training auszudrücken. Sie sind auch das, was Shen Yun darstellen und allen Zuschauern auf der ganzen Welt mitteilen möchte. Sie sind ein großer Teil der authentischen und orthodoxen chinesischen Kultur.“
Lobjois erläutert ihre Perspektive der westlichen und östlichen Kultur: „Um es einfach zu sagen, die westlichen Menschen leben in einer Art quadratischem Rahmen. Sie folgen eher den Regeln. Östliche Menschen sind wie ein Kreis. Sie sind flexibler im Umgang mit den Dingen.”
Lobjois erinnert sich zum Beispiel daran, dass sie einmal ein Dessert haben wollte, aber ihre französische Großmutter wollte ihr keines machen. Denn es war für sie nicht der richtige Zeitpunkt, um einen Nachtisch zu essen.
Aus westlicher Sicht sollte man nur zu einem bestimmten Zeitpunkt Nachtisch essen. „Das erscheint dem chinesischen Volk zu starr”, sagt sie, „aber es ist für Westler, die mehr Regeln und Rituale haben, durchaus vernünftig”.
Auch in der Tanzkunst gibt es Unterschiede zwischen Ost und West. Lobjois vergleicht das westliche Ballett mit dem klassischen chinesischen Tanz. „Die Bewegungen im klassischen chinesischen Tanz sind ziemlich rund und fließend, aber die Bewegungen beim Ballett sind gradliniger und präziser.“
Lobjois nennt das Beispiel einer Bewegung im klassischen chinesischen Tanz namens Xie Tan Hai (斜探海), die wie die Ballett-Bewegung Attitüde aussieht. Die Bewegungen bestehen darin, ein Bein nach hinten zu heben, einen Arm horizontal zu heben und den anderen Arm hoch zu halten.
Im Ballett steht die Präzision der Körperstellung im Vordergrund; die Haltung ist anmutig und gestreckt, der Kopf der Tänzerin ist aufrecht und der Blick ist in die Ferne gerichtet. Im klassischen chinesischen Tanz liegt der Schwerpunkt darauf, die Bewegungen natürlich wirken zu lassen. Der Kopf der Tänzerin ist leicht zum Boden geneigt. Ihre Arme, Beine und Hände sind subtil gestikulierend, um die introvertierte und schüchterne Persönlichkeit der traditionellen chinesischen Frauen auszudrücken.
Die Haltungen sind rund und geschwungen, um der kreisförmigen, unendlichen Harmonie von Yin und Yang in der traditionellen chinesischen Kultur, die auch Teil der Seele des klassischen chinesischen Tanzes ist, zu entsprechen.
Madeline Lobjois bleibt voller Zuversicht und Leidenschaft, während sie mit Shen Yun immer höhere Ziele anstrebt. Es gibt viele Herausforderungen, die zwischen den Auftritten auf einer Tournee zu bewältigen sind, während sie in jeder Vorstellung alles geben muss. Aber Lobjois hat eine gute Lebensphilosophie. „Ich bin jemand, der alles anpackt, was auf ihn zukommt. Ich konzentriere mich nur auf den Moment und mache alles Bevorstehende gut. Oftmals sind die Belastungen umso kleiner, je weniger man sich Sorgen macht, und die Dinge laufen reibungsloser ab. Ich hoffe, die diesjährige Tournee wird so erfolgreich, wie die in der Vergangenheit.“
Englischer Text von Tara dos Santos, Fotografie von Hugh Zhao