Klassischer chinesischer Tanz vs. Kunstturnen
Nachdem die Zuschauer gesehen haben, wie sich die Tänzer von Shen Yun fast schwerelos über die Bühne bewegen, sagen sie oft Dinge wie: „Die Akrobatik hat mir gefallen“ oder „die Beweglichkeit erinnerte mich an Turnen“. Die Wahrheit ist, dass diese Bewegungen weder aus dem Turnen noch aus der Akrobatik stammen. Sie stammen alle aus dem klassischen chinesischen Tanz, und sie haben eine lange Geschichte.
Als sich der klassische chinesische Tanz im Laufe der Jahrtausende entwickelte, wurden Saltos und Bodenturntechniken zu einem wichtigen Bestandteil der Tanzform. Viele dieser technischen Bewegungen haben sich aus den chinesischen Kampfkünsten und der Oper entwickelt. Im klassischen chinesischen Tanz werden sie tan zi gong genannt, was so viel bedeutet wie „Fähigkeiten, die auf Teppichen oder Matten dargeboten werden“.
Internationale Wettkämpfe
Beim frühen Turnen gab es noch keine so gewagten Sprünge und Drehungen. Der erste moderne olympische Turnwettkampf wurde 1896 mit einfachen Wettkämpfen an Bock, Pauschenpferd, Ringen und Reck ausgetragen. Der erste Wettkampf für Frauen fand 1928 statt und umfasste Gruppengymnastik, Seilklettern und Sprossenwand. In den folgenden Jahren bestanden die Disziplinen rhythmische Sportgymnastik, Schwebebalken und Barren noch hauptsächlich aus Aerobic- und Ballettbewegungen.
In den späten 1970er-Jahren, im Zuge der Öffnungspolitik Chinas, zeigten chinesische Turnerinnen bei internationalen Wettkämpfen ihre anspruchsvollen Saltos und machten sie so in der Welt bekannt. Danach wurden viele dieser technischen Bewegungen in das Turnen, insbesondere in die Bodenübungen, integriert und populär gemacht. Mit der Zeit wurden einige dieser Bewegungen auch von anderen darstellenden Künsten übernommen, darunter Akrobatik, Cheerleading und sogar modernes Ballett.
Form und Wesen
Heute ist der klassische chinesische Tanz nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines der umfassendsten Tanzsysteme der Welt. Seine zahlreichen technischen Bewegungen bereichern sein Tanzvokabular und seine Ausdruckskraft.
Diese anspruchsvollen technischen Bewegungen – darunter Saltos, Sprünge, Drehungen, Spins und dramatische Posen, die eine große Körperbeherrschung erfordern - werden in die Tanzstücke integriert, um ihnen Nachdruck und Energie zu verleihen. Dies unterscheidet sich vom Turnen, bei dem die technischen Bewegungen im Mittelpunkt eines Wettkampfs stehen und das Ziel der Athleten darin besteht, die Anforderungen für die Punktevergabe zu erfüllen und gleichzeitig Punktabzüge zu vermeiden.
Auch im klassischen chinesischen Tanz gibt es strenge Anforderungen an Form und Präzision. Doch die Form allein reicht bei weitem nicht aus. Klassischer chinesischer Tanz ist nicht vollständig ohne die Haltung, den Geist und den emotionalen Ausdruck (yun), die in jede Bewegung enthalten sind. Das ist es, was den Körper in Bewegung bringt. Und jeder Luftsprung, jeder Salto und jeder Sprung verfolgt einen Zweck, hat eine Bedeutung und muss die Seele des Tanzes ausdrücken.
Nachfolgend finden Sie eine unvollständige Liste technischer Bewegungen, die ursprünglich aus dem klassischen chinesischen Tanz stammen, jetzt aber auch beim Turnen zu sehen sind:
Vorwärtssalto (前空翻)
Rückwärtssalto (後提)
Rückwärtsdrehung um 360 Grad (轉體 360)
Freies Rad (踺子)
Freier Überschlag (前挺)
Spreizsalto rückwärts (拉拉提)
Überschlag (前橋)
Spreizsprung (雙飛燕)
Ring- oder Feuervogelsprung (紫金冠跳)
Schmetterlingskick (旋子)
Spreizsprung mit voller Drehung (變身雙飛燕)
Beinhaltedrehung (搬腿轉)
Taucherdrehung (吊腰)
Backspin (背轉)
Und viele weitere …
Wenn Sie also diese unglaublich raffinierten technischen Bewegungen auf der Bühne von Shen Yun sehen, denken Sie daran, dass sie nicht aus der Gymnastik oder Akrobatik stammen, sondern aus dem klassischen chinesischen Tanz. Vielleicht werden Sie eines Tages, wenn Sie sich einen Turnwettbewerb ansehen, sagen: „Hey, ich liebe diese klassischen chinesischen Tanzbewegungen!“