Chinas großartigste Ziegen
Sind Sie ein Anführer oder eins der Schafe? Es zeigt sich, dass, wenn Sie im Jahr des Schafes oder im Jahr der Ziege geboren sind (oder halt Bock, im Chinesischen ist das nicht deutlich unterschieden), dann können Sie - oder auch nicht - das ebenso herausfinden, indem Sie die chinesische Geschichte durchforsten, um die bekanntesten Ziege-Schaf-Persönlichkeiten zu entdecken.
Der chinesische Tierkreis hat einen 12-Jahres-Rhythmus, jeder ist einem Tier gewidmet. Das neue Mondjahr, das am 19. Februar beginnt, ist das Jahr der Ziege. Es heißt üblicherweise, wer in diesem Tierkreiszeichen geboren ist (2016 ebenso wie 2004, 1992,1980 usw.), ist großzügig, freundlich und loyal – eben wie das Schaf. Tatsächlich ist das Schriftzeichen für Ziege, oder yang (羊), sogar Teil des Wortes für Barmherzigkeit, shan (善), das die sanfte Natur dieses Tieres zum Ausdruck bringt.
Geschichtlich gesehen haben uns diese flauschigen Freunde tatsächlich auf unterschiedliche Weise geholfen. Ihre Wolle wird für die Kleidung genutzt; ihre Milch als Nahrungsmittel. Und im alten China bildeten die Ziegenhaarpinsel zusammen mit den steiferen Wolfshaarpinseln ein Tandem und erschufen dadurch Meisterwerke der Malerei und der Kalligrafie.
Natürlich sind nicht alle diese Tiere gleich, und wie man sieht, gibt es bei den Ziegenmenschen die ganze Skala von großherzig bis größenwahnsinnig.
Bäh, bäh, schwarzes Schaf
Wenn man denkt, alle Schafe seien wie Lämmer, dann wird man nachdenklich, wenn man mal dem großen Kriegsherrn aus der Zeit der Drei Reiche (220-280 n. Chr.) begegnet ist.
Als die Han-Dynastie in sich zusammenfiel, brach ein Machtkampf aus. Aus dem Chaos tauchten drei mächtige Staaten auf: Wei, Shu und Han. Cao Cao, Herrscher der Wei und ein gewitztes militärisches Genie, wurde im Jahr der Ziege geboren (155 n. Chr., Sie können nachrechnen). Er war bei seinen Untergebenen beliebt, aber auch machthungrig und rachsüchtig.
Als der Vater von Cao Cao ermordet wurde, machte Cao Cao (ausgesprochen tsao tsao) denjenigen dafür verantwortlich, der am ehesten verdächtig schien: Den Gouverneur der Nachbarprovinz Tao Qian. Da er für seine Vermutung keinerlei Beweis hatte, entschied sich Cao Cao, in eben diesem Sommer die Provinz von Tao Qian zu überfallen.
Seine Armee massakrierte nicht nur Soldaten, sondern an die 100.000 Zivilisten - genügend, um einen ganzen Fluss durch ihre Kadaver zu blockieren. Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht, und ihr Vieh (ja, einschließlich ihrer Schafe) wurde gestohlen, um die Armee zu ernähren.
Cao Cao hatte chronische Kopfschmerzen. Alle Behandlungen schlugen fehl, bis er den legendären Arzt Hua Tuo traf, der seine Schmerzen mit einer einzigen Akupunktur-Nadel stoppte. Davon war Cao Cao so beeindruckt, dass er Hua Tuo als seinen Leibarzt bei sich behalten wollte. Hua Tuo gefiel es aber nicht, auf den Hof beschränkt zu sein, und so bat er um Beurlaubung wegen seiner (nicht existierenden) kranken Ehefrau. Jedoch schlug der Arzt eine Dauerlösung für Caos Kopfschmerzen vor – eine Gehirnoperation unter Anwendung alter chinesischer medizinischer Techniken. Der argwöhnische Cao Cao dachte, der Arzt plane, ihn zu ermorden und in einem Anfall von Wut warf er Hua Tuo ins Gefängnis. Und so endete das Leben eines der begabtesten Ärzte Chinas im Gefängnis.
Solche Handlungen brandmarkten Cao Cao als einen Schurken und beeinflussten sein Portrait in dem klassischen Roman „Die Geschichte der drei Reiche“. Der fiktive Cao Cao lebte nach dem Motto „einer frisst den anderen“: Lieber tue ich anderen Unrecht an, als ihnen zu erlauben, dass sie mir Unrecht antun (寧我負人, 毋人負我!). Im Verlauf des Romans ermordet er dafür aus Verfolgungswahn einen alten Freund und dessen Familie, versucht - wörtlich genommen - seinen Boss rücklings zu erstechen und erobert nahezu ganz China, unter Hinterlassung einer Spur von Feuer und Blut.
Aber er war auch ein bemerkenswerter Staatsmann, der einen guten Teil von Chinas bester Dichtung hinterließ. Es ist kein Wunder, dass die Menschen sich an Cao Cao noch heute durch ein beliebtes Sprichwort erinnern: shuo Cao Cao, Cao Cao dao (說曹操, 曹操到), „Kaum spricht man von Cao Cao, und schon ist er da“, was etwa bedeutet „Wenn man vom Teufel spricht.“
Die Herde anführen
Zum Glück gibt es für jedes schwarze Schaf ein weißes, das die Tugenden des Tierkreises verkörpert. Diese Ehre gebührt auch Yue Fei, ein mutiger General aus der Song-Dynastie (906-1279 n. Chr.).
Yue Fei wurde in einer armen Familie geboren, er wuchs auf und trat in die Armee ein, wo er sich hervortat im Bogenschießen, in Taktik und in der Handhabung des Speers. Im zwölften Jahrhundert drangen die Jurchen fortwährend vom Norden her in China ein, und sein Geschick brachte Yue Fei die Position eines führenden Generals ein, mit der Aufgabe, das Reich der Mitte zu verteidigen.
Yue Fei, im Umgang mit seinen Leuten charismatisch und beliebt, setzte die Pflicht gegenüber seinem Land immer an die erste Stelle. Nach der Legende bat er seine Mutter, vier Schriftzeichen auf seinem Rücken einzutätowieren - jin zhong bao guo (盡忠報國), „Diene treu deinem Land“ – sodass er seine Aufgabe nie vergessen konnte. Seine Fähigkeiten auf dem Schlachtfeld bescherten den Song viele Siege - und Missgunst von seinen Feinden.
Trotz seines Ruhmes und seiner Auszeichnungen hielt er sich treu an die konfuzianischen Prinzipien der Treue des Kindes gegenüber den Eltern, der Bescheidenheit und des Gehorsams. Zweimal zog er sich vom Schlachtfeld zurück, um an den Trauerzeremonien für seine Eltern teilzunehmen. Einmal verbrachte er einen ganzen Winter in einem Zelt, um am Grab seines Lehrers, einem berühmten Kampfkunstmeister, zu trauern, bis ihn seine Freunde endlich nach Hause holten.
Tragischerweise ärgerte die Beliebtheit von Yue Fei den verhassten Kanzler Qin Hui. Dieser Beamte täuschte den Kaiser, sodass dieser dachte, Yue Fei plane einen Schlag gegen ihn, und unter der Beschuldigung des Verrates holte er ihn von der Kampflinie. Immer loyal, gehorchte Yue Fei dem Urteil aus Respekt vor dem Kaiser – obwohl er wusste, dass es sich um eine Falle handelte. Als Qin keinen Beweis fand, um Yue Fei zu verurteilen, ließ er ihn trotzdem hinrichten.
Gefragt, ob Yue Fei eigentlich schuldig sei, antwortete Qin Hui „mu xu you“ (莫須有), das heißt „Ich weiß es nicht genau, aber vielleicht hat er etwas verbrochen.“ Der Satz von Qin Hui wird heutzutage benutzt, wenn man von „künstlich fabrizierten Beschuldigungen“ spricht.
Betrachtet man die Geschichte, wird klar, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden ist, denn zu Ehren des treuen Generals Yue Fei steht in einem Tempel eine majestätische Statue. Gleich vor dem Tempel eine Statue von Qin Hui, der kniet und angekettet ist, seit Generationen dazu verdammt, von Vorbeigehenden angespuckt zu werden. (Und, ja, das ist derselbe Qin Hui, der im vorigen Jahr in dem humorvollen Shen Yun-Tanz „Den Tyrannen hinauskehren“ dargestellt wurde.
Ein goldenes Zeitalter anführen
Nach dem goldenen Zeitalter in Chinas Zivilisation gefragt, verweisen viele Historiker auf die mächtige Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.). Die Menschen der Tang-Zeit (heutzutage wird dieser Begriff benutzt, um alle Chinesen zu beschreiben) blühten unter einer sich entfaltenden Wirtschaft mit einer pulsierenden Handelsroute auf. Der ebenfalls im Jahr der Ziege geborene beliebte Kaiser Taizong hatte viel mit diesem Erfolg zu tun.
Auf der Höhe seiner Regierungszeit war das Tang-China eine der größten, stärksten und weltoffensten Nationen. Sein Gebiet reichte vom heutigen China bis nach Vietnam und Zentralasien. In der Hauptstadt Chang’an, der Name bedeutet „Stadt des ewigen Friedens“, lebten Fremde und Einheimische eng zusammen, handelten miteinander und waren Kollegen am Kaiserhof. Reisende konnten das Land in absoluter Sicherheit durchqueren, und die Besitzer von Gaststätten boten sogar kostenlose Zimmer und Verpflegung an. Es war eine Zeit des Wohlstands und des Friedens.
Taizong war ein einzigartiger Kaiser mit einem Herzen voller Großmut und Vergebung. Nachdem er den Thron bestiegen hatte, verzieh er seinen Feinden und bot ihnen sogar Positionen an seinem kaiserlichen Hof an.
Und es war Kaiser Taizong, der bekanntermaßen den buddhistischen Mönch Xuanzang bat, die Reise in den Westen anzutreten, um die Heiligen Schriften zu suchen. Der Mönch kehrte erfolgreich mit ihnen nach China zurück, was das Erscheinungsbild des chinesischen Buddhismus für immer änderte. Seine Abenteuer wurden in dem klassischen Roman „Reise in den Westen“ festgehalten (darin kommen auch ein Affe und ein Schwein vor, aber keine Ziege).
Die unverbesserliche Kaiserin
Welchen Unterschied doch tausend Jahre ausmachen. Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts, gegen Ende der Mandschu-Herrschaft der Qing-Dynastie, war Kaiserinwitwe Cixi (1835 – 1908) an der Macht. Während die Tang gegenüber Fremden aller Ethnien und Religionen offen waren, hegte die Kaiserinmutter gegenüber Fremden großen Argwohn.
Geboren im Jahr der Ziege, in der Familie eines einfachen Beamten, wurde sie Konkubine des Kaisers und brachte einen Sohn zur Welt, der seinerseits Kaiser wurde. Ihr Sohn hatte aber nur dem Namen nach den Thron inne, während sie 47 Jahre lang die Herrschaft in den Händen hielt.
In Zeiten großer Instabilität hielt Cixi im Mandschu-bestimmten Hof durch. Sie hatte die Politik der Qing fest in der Hand und weigerte sich, irgendjemandem zu weichen, auch nicht ihren engsten Verbündeten. Abgesehen von ihrem unnachgiebigen Verhalten war jeder, der mit ihr zusammen traf, voll des Lobes über ihre anmutigen Bewegungen, ihre bezaubernde Anwesenheit und Freundlichkeit. Selbst nachdem sie sich von der Macht zurückgezogen hatte, gab sie Tea-Partys für Diplomaten-Frauen und jährliche Garten-Feste im Sommerpalast.
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Zwei Krieger - einer grausam, einer heldenhaft. Zwei Herrscher – einer anziehend, einer beherrschend. Vom neugierigen kleinen Lamm bis hin zur mächtigen Bergziege, nicht alle Schafe sind aus dem gleichen Holz geschnitzt.
Aber wenn man im Gespräch auf das chinesische Neujahr kommt, können Sie jetzt über das Jahr der Ziege mitdiskutieren, ohne wie ein Schaf dazustehen.
MACHEN SIE BEIM QUIZ MIT und finden Sie heraus, welcher der vier Ziegen Sie am meisten ähneln.
Jade Zhan
Gastautorin
3. Februar 2015