Kick-Start für den klassischen chinesischen Tanz
Nach der chinesischen Lehre von Yin und Yang gleichen sich entgegengesetzte Kräfte aus und erschaffen dadurch Harmonie. Wir Tänzer brauchen nicht nur Weichheit und Flexibilität, wir brauchen auch Explosivität, um ein kraftvolles Resultat zu erzielen … sowohl in den Armen als auch in den Beinen!
Kicks verleihen der Aufführung den Kick
Tänzer des klassischen chinesischen Tanzes müssen viel an ihren Beinen arbeiten, um absolute Beweglichkeit, Kraft und Geschicklichkeit zu erlangen. Ein Kick (踢腿, or tī tuǐ) ist sowohl eine eigenständige Bewegung als auch grundlegendes Training für unzählige schwierige Sprünge, Saltos und andere Techniken. Man kann vorwärts, zur Seite und rückwärts kicken oder von vorne zur Seite und von der Seite nach vorne gehen.
Auf diesem Foto sehen Sie die Erste Tänzerin Chelsea Cai bei einem Tanzwettbewerb das „Seitenbein“ (旁腿, páng tuǐ) kicken.
Diese Bewegung mag einfach aussehen, aber es gibt da einige Anforderungen:
- Am Anfang muss man beide Beine absolut gestreckt halten.
- Immer die Zehen des sich bewegenden Beines nach vorne richten – es sei denn, der Choreograf verlangt es anders.
- Weder seine Arme, noch den Oberkörper oder das Standbein von der Bewegung etwas spüren lassen. Nicht das geringste Wanken, Schwanken oder Nachgeben.
- Größtmögliche Genauigkeit, Geschwindigkeit und Höhe!
Schwinge nach hinten
Eine Variante des Kickens heißt dào tī (倒踢), übersetzt etwa „Bein nach hinten“ oder „Kick nach hinten“. Um wirklich zum Schwingen zu kommen, braucht man hohe Beweglichkeit und Bewegungsfreiheit in der Hüfte, der gesamten Wirbelsäule, von der Schulter bis zu den Armen.
Dào tī zǐ jīn guān (倒踢紫金冠) ist eine besondere Rückwärtsbewegung des Beines, die genau das erfordert, worauf deren chinesischer Name hinweist: Beides, sowohl ein nach hinten gerichtetes Bein als auch eine “goldene Standardkrone“ über dem Kopf.
Auf diesem Bild sieht man die Erste Tänzerin Angelia Wang beim Aufwärmen vor der Vorstellung, wobei sie gerade ihre „fliegende Krone“ mit einem dào tī zǐ jīn guān ausführt.
Das Ausführen dieses Kicks liefert die grundlegende Vorbereitung für viele chinesische Tanztechniken und Sprünge. Ein wunderschönes Bein nach hinten ist besonders für Frauen wichtig und unerlässlich oder unbedingt zu entwickeln für jeden jungen Tänzer mit einem gewissen Anspruch.
Ein kleiner Vogel erzählte mir …
Wie kickt man nach vorne, während man sich rückwärts bewegt? Hier ist eine Technik des klassischen chinesischen Tanzes, die dieses Rätsel beantwortet:
Auf Chinesisch bedeutet hl chuài yàn (踹燕) „die Schwalbe kicken“, seien Sie aber unbesorgt, bei dieser Technik werden keine Tiere in Mitleidenschaft gezogen.
Schwalben fliegen normalerweise hoch am Himmel, weshalb der Fuß einer Tänzerin so hoch reichen muss, dass er den Vogel berührt; und um zu vermeiden, dass ihr Gesicht gnadenlos zerpickt wird, muss die Tänzerin ihren Oberkörper in einer weiten Rückwärtsbewegung herabsenken.
Tänzerin Emily Pan, die keine Schwalbe finden konnte, zeigt auf diesem Foto stattdessen die „Kicke-die-Australische-Möwe“-Technik.
Um diese Technik auszuführen, müssen beide Beine völlig gestreckt sein und das Becken maximal nach hinten gekippt werden. Bei guter Ausführung ist er eine wundervolle Kombination aus ultimativer Flexibilität, Kontrolle und Kraft. (Oh, und wussten Sie, dass … der Rückwärts-Bogengang beim Turnen sich ursprünglich aus diesem Tanz-Kick des klassischen chinesischen Tanzes entwickelt hat?)
Bei Unterrichtsstunden, Proben und Auftritten kickt ein typischer Shen Yun-Tänzer wohl über 500 Mal am Tag. Oder in der Sprache der Tänzer „500 Beine kicken“. Manche kicken sogar Tausende von Beinen! Mit wie vielen Beinen sind Sie heute dabei?
Alison Chen
Gastautorin
18. Mai 2016