Hohe Erwartungen
Ironie trägt viele Früchte im britischen Witz, und England ist voller Obstgärten. Das ist meine bescheidene Schlussfolgerung nach zwei aufeinander folgenden Jahren im Vereinigten Königreich, wo ich in zwei verschiedenen Orten auftrat.
Es fing im letzten Jahr an, als wir nach Cardiff/Wales gingen. Wir hatten eine lange Fahrt vor uns nach der Überfahrt durch den Kanaltunnel, und ich freute mich darauf, Fotos der englischen Landschaft als Andenken zu machen. Die Landschaft konnte nicht malerischer sein: Schafherden, die auf frischen grünen Weiden um sanft geschwungene Hügel grasten, umspielt von einem Nebelschleier. Leider waren diese ersten Eindrücke arg irreführend. Der nachmittägliche Nebel war einem bewölkten Himmel zugute zu halten (im Klartext: Schlechte Lichtverhältnisse), und ich mühte mich ab, durch das Busfenster ohne Blitz zu fotografieren. Die Straße, die wir befuhren, war mit Aufmerksamkeit heischenden Bäumen gesäumt, die sich immer wieder ins Bild schmuggelten. Was die Schafe anging - sie waren allesamt widerwillige Opfer von Landgraffiti-Künstlern geworden. Komplette Herden waren mit einem riesigen Klecks Sprühfarbe auf ihren wolligen Seiten mit Kennfarben versehen. Geteilt in rosa, blaue oder Neon-grüne Gruppen watschelten sie durch die Felder wie Zuckerwattebäusche mit schlechter Färbung. Ein plötzlicher Sturm mit Regenschauern schloss weitere Foto-Versuche aus.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu, nachdem meine Hoffnungen auf die idyllische englische Landschaft vereitelt wurden. Die diesjährigen Shows in London schienen eine authentische englische Erfahrung zu versprechen. Am ersten Morgen unserer Ankunft ging ich erwartungsvoll, aber vorsichtig zum Hotelfrühstück. Eine vorherige Begegnung mit "black pudding" (= Blutwurst, definitiv nicht aus Milchprodukten hergestellt) hatte mich gelehrt, vorsichtig zu sein. Glücklicherweise sah alles harmlos aus - bis auf den letzten Gegenstand am Büfett. Es war ein großer, geheizter, eiförmiger Behälter, der bis zum Rand mit einer Art weißer Suppe gefüllt war.
Milch oder Schmelzkäse waren meine Hauptverdächtigen. Vielleicht war es sogar ein riesiger Fondue mit weißer Schokolade. Und doch hatte keiner dieser Sachen die dicke, klumpige Konsistenz dieser geheimnisvollen Flüssigkeit X. Dann entdeckte ich die Würzzutaten in der Nähe. Erdnüsse. Mariniertes Gemüse. Getrocknete Fischflocken. Frisch gehackte Zwiebeln und eine Flasche Sojasoße.
Könnte… könnte das ein riesiger Topf mit congee sein?
SRuhig zwischen dem Speck und vorabgepacktem Weetabix sitzend, war die Grütze des Ostens gegen seine völlige Unangemessenheit gleichgültig. Noch fand es irgendjemand anderes sonderbar. Unmöglich. War chinesische Reisgrütze eine dauerhafte Ergänzung für das britische Hotelfrühstück geworden?
Nein, nicht wirklich. Es stellte sich heraus, dass unser Hotel ein (singapurisches) chinesisches Restaurant hatte.
Na gut. Die Landschaft war nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Das Essen war nicht, was ich erwartete. Aber dies waren unbedeutende Details und verdarben mir nicht meine Erinnerungen an Großbritannien. Zwischen unseren Shows im London Coliseum im Herzen Londons neben dem Trafalgar Square entschieden meine Freunde und ich uns, ein paar Andenken zu kaufen. Kam auch anders als erwartet.
Meine Gruppe ging in ein schönes englisches Teegeschäft und kam mit brasilianischem Pulverkaffee und japanischen Teeblättern wieder raus. Eine andere Gruppe entzückte sich am hiesigen Chinatown. Eine dritte endete damit, während ihres Bummels an Frappuccinos von Starbucks zu nippen.
Nachdem ich zwei Postkarten, einige Schlüsselanhänger und eine Eistüte erworben hatte, war ich überzeugt, dass das englische Pfund den zähsten Ruf in der Wechselstube hatte. Mit einem Monat Aufenthalt in Europa vor uns und Ländern, die noch zu bereisen und zu sehen waren, machte es Sinn, sein Geld vernünftig auszugeben. Und doch kurz vor der Abreise aus England hielten wir an den Duty-Free-Geschäften an der Grenze an. Ich widerstand dem Drang für frivole Waren, mit dem Entschluss, mein Geld sicher anzulegen - und endete damit, eine funkelnagelneue Brieftasche zu kaufen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es von einem bewährten Londoner Unternehmen gemacht wurde. So ist es authentisch englisch, erstaunlich süß und angenehm steuerfrei - oder, wie der Brite sagt, ein "sheep deal".
Jade Zhan
Gastautorin
21. April 2011