Fahrtenbuch Nordamerika-Tour - April
1. April, 17:32
Gerade haben wir unsere letzte Show in Washington DC beendet! Sie schließt unser zweiwöchiges Gastspiel mit 13 Shows im Kennedy Center ab. Die Fahrt zurück zu unserem Hauptquartier in New York dauert fünf Stunden, wo wir uns einen Tag lang erholen, bevor wir nach Nordwesten aufbrechen.
3. April, 5:51
Es sind 850 Meilen nach Madison, Wisconsin – über 15 Stunden Fahrt – also mussten wir sehr früh aufstehen. Nicht, als ob es uns was ausmacht. Wir haben so viele ganztägige Busfahrten hinter uns, dass wir für diese lächerliche 15-stündige Reise gerüstet sind.
5. April, 23:45
Nach zwei Shows am Overture Center for the Arts in Madison haben wir jetzt gepackt und gehen zurück zum Hotel. Wir müssen uns heute Nacht gut ausruhen, weil wir morgen zu einer der längsten Busfahrten dieser Tour aufbrechen. Wir reisen ohne Unterbrechung zwei Tage lang, um nach Calgary in Kanada zu kommen, was bedeutet, dass wir eine Nacht im Bus verbringen werden. Ähnliches haben wir während der Europa-Tour im letzten Jahr gemacht, aber das kommt nicht oft vor. Im Bus zu schlafen ist natürlich nicht so toll, aber dieses Mal bin ich mit Kissen, Decken und dergleichen ausgestattet.
6. April, 0:27
Einige von uns bestellen Pizza.
6. April, 13:27
Nach einem entspanntem Morgen im Hotel sitzen wir jetzt im Bus unserer größten Herausforderung gegenüber: Für die nächsten 30 Stunden sitzen zu bleiben. Kanada, wir kommen!
6. April, 22:31
Es sind neun Stunden vergangen, und bis jetzt haben wir nur zweimal angehalten. An einer Tankstelle drängen sich alle um das Waschbecken und fuchteln mit ihren Zahnbürsten in Vorbereitung für die Nacht. Ich sollte aufhören zu tippen und meine Zahnbürste ebenfalls suchen.
7. April, 3:33
Ich wache mit einem heftigen Krampf im Nacken auf. Wo, zum Kuckuck, sind wir? Der Rest des Busses schläft tief und fest (außer der Fahrer, natürlich). Als ich aus dem Fenster schaue, werde ich von einem Vollmond am Nachthimmel begrüßt, der sein trübes Licht auf die flache, unfruchtbare Prärie leuchtet, die sich bis zum Horizont erstreckt. Es ist ein seltener Einblick in die Schönheit der Natur, etwas, das in ein Kunststück verwandelt oder als Desktop-Hintergrund verwendet werden könnte. North Dakota? Oder vielleicht Montana? Wieder einschlafen.
7. April, 7:01
Mein unruhiger Schlummer wird wieder gestört, dieses Mal durch den Bus, der an einer Tankstelle anhält. Als ich mich umsehe, entdecke ich, dass wir jetzt auf dem Land sind. Aus der Autobahn ist eine einfache zweispurige Straße geworden. Gebäude sind sehr dünn gesät, und riesengroße Gebiete sind schneebedeckt. Ich entscheide mich dafür, ein Frühstück mizunehmen und nehme den Akzent der Einheimischen zur Kenntnis. Ein paar Minuten später sind wir zurück im Bus, lassen die kleine Stadt zurück und setzen unsere Reise über die Prärie fort.
7. April, 11:29
Wir haben die US-kanadische Grenze erreicht, ein Ort namens Wild Horse. Der Unterschied zwischen den kanadischen und amerikanischen Einreisegebäuden ist bemerkenswert. Das amerikanische Gebäude sieht relativ modern aus, es hat viele Durchfahrten und ist umgeben von einem drei Meter hohen Zaun. Ein bisschen wie ein Hochsicherheitsgefängnis, schätze ich. Das kanadische Gebäude ist viel weniger furchterregend - ein bescheidenes zweistöckiges Haus mit einem Wartebereich mit dazugehörigen Stoppschildern, umgeben von einem kleinen Stacheldraht-Zaun.
Die zwei diensthabenden Beamten haben sich bis dato noch nie mit solch einer großen Gruppe befasst, und der Einreiseprozess dauert etwas. Ich ergreife die Chance, meinen Mitdarstellern die australische Handball-Version zu zeigen, ein Spiel, das in der Grundschule während den Pausen von allen gespielt wurde. Jedoch entkommt uns im Eifer des Spiels einer der Tennisbälle ins grasbewachsene Gebiet zwischen dem kanadischen und dem amerikanischen Zaun … dem Niemandsland? Wir entscheiden, dass es nicht sicher ist, sich ins Gebiet zwischen zwei Ländern zu begeben, also wird der Ball widerwillig aufgegeben.
7. April, 17:45
Moment mal! Ich dachte, wir sind in Kanada - warum fühlt es sich so an, als ob wir noch in den Vereinigten Staaten sind? Alles ist so ähnlich, von den Straßen, die mit Werbetafeln zugemüllt sind bis zum Walmart, an dem wir gerade vorbeifuhren... oh, Moment, hier ist ein Tim Horton und ein Shoppers Drug Mart. Ja, wir sind in Kanada.
7. April, 18:15
Unsere Reise ist beendet! Wir haben gerade unser Hotel erreicht. Als ich in den gemieteten Konferenzraum zum Mittagessen hineingehe, entdecke ich unseren Moderator Leeshai Lemish mit eingesunkenen Augen und müdem Lächeln. Ruh’ dich aus, Leeshai, wir haben morgen für 6:00 Uhr den Aufbau und zwei Shows auf den Zettel!
(Fortsetzung folgt …)
Gary Liu
Tänzer
13. April 2012