Der Gute, der Böse und der „Verrückte“
Alte chinesische Helden und Schurken: Yue Fei, der Krieger mit dem Herz eines Löwen, der bösartige „abgebrühte Minister Hui“ und ein verrückter Mönch mit magischen Kräften.
Auch heute, mehr als 900 Jahre, nachdem Minister Qin Hui zum meist gehassten Menschen in der chinesischen Geschichte wurde, wird er noch immer von Millionen allmorgendlich in siedend heißes Öl getaucht und zusammen mit Reisbrei serviert. Aber die Schande des „abgebrühten Ministers Hui“, der nun ein verdrehtes Brotstück ist, endet nicht damit.
Ein altes Mausoleum, das Chinas größtem Helden, Yue Fei, gewidmet ist, liegt über einem von Chinas südlich gelegenen wunderschönen West-Seen. Gegenüber von dem Grab stehen die Eisenfiguren des Ministers Qin Hui und seiner Frau, sie knien, die Hände auf dem Rücken gefesselt, mit Blick auf das Grab und werden von vorbeikommenden Besuchern bespuckt. Wie ist es dazu gekommen?
Die Loyalität von Yue Fei
Im zwölften Jahrhundert, gegen Ende der Nördlichen Song-Dynastie, wurde China von Norden her überfallen. Am verweichlichten kaiserlichen Hof wurden dringend fähige Krieger benötigt.
Yue Fei war mehr als fähig – er hatte spezielle Kampfkunst-Techniken studiert und konnte gleichzeitig neun Pfeile auf eine Zielscheibe in 240 Schritt Entfernung abschießen. Und doch befand er sich in einem Dilemma. Einerseits wollte er die Eindringlinge im Kampf stellen und sein Land verteidigen; andererseits wollte er sich davon fern halten und sich um seine betagte Mutter kümmern. Diese beiden Tugenden – Loyalität und der Respekt des Sohnes gegenüber den Eltern - wurden bei den Chinesen im Altertum hoch geschätzt, und nun standen sie miteinander im Wettstreit. Yue Fei war innerlich zerrissen.
Um ihm Mut zu machen, bat ihn seine Mutter, sein Hemd auszuziehen und tätowierte seinen Rücken mit den vier Schriftzeichen: jing zhong bao guo — “diene treu dem Land.“ Nun, da er sowohl dem Wunsch seiner Mutter als auch der Pflicht gegenüber dem Land nachkommen konnte, brach Yue Fei sofort in die Schlacht auf.
Als er nach und nach der berühmteste General der Song wurde, verlor Yue Fei nicht eine einzige Schlacht. Einmal stoppte er 100.000 eindringende Jurchen mit nur 500 Mann.
Wenn seine Soldaten krank oder verletzt waren, kümmerte er sich gut um sie – er selbst behandelte ihre Wunden und sagte den Familien der Verstorbenen Bescheid. Er achtete bei seinen Truppen auf die Einhaltung strikter moralischer Maßstäbe, sie durften nicht plündern oder sich Vorteile vom gemeinen Volk verschaffen. Er wurde, und ist es noch heute, Chinas Symbol für unerschütterliche Loyalität.
Und dennoch führte Yue Feis große Beliebtheit zu großem Neid.
Der Verrat des Qin Hui
Im Jahr 1127 griffen die Jurchen (auch bekannt als Jin) die Hauptstadt von Kaifeng an, kidnappten den Kaiser, Beamte, und Bedienstete – insgesamt 14.000 Personen, einschließlich Minister Qin Hui. Dann ließen sie alle zu Fuß in die Mandschurei marschieren. Der jüngere Bruder des Kaisers floh indessen nach Süden, überquerte den Yangtze und gründete die Südliche Song-Dynastie.
Wenige Jahre später erschien Qin Hui auf einmal in der Südlichen Song-Dynastie und erzählte eine unglaubliche Geschichte, wie er es geschafft hatte, zu fliehen. Einige verdächtigten ihn, ein Verräter mit einem Auftrag zu sein, aber der neue Kaiser vertraute ihm und ernannte ihn zum Kanzler.
Bald schon ermutigte Qin Hui den Kaiser zu Gesprächen mit den Jurchen, was in einem Vertrag endete, der die Dynastie zu einem Untertan der Jurchen machte. Mehr und mehr benutzte Qin Hui seine Macht, um politische Opponenten zu beseitigen und jeden, der Ansprüche des Nordens verteidigte, Mundtot zu machen. Zu der Zeit wurde Qin Hui eifersüchtig auf die enorme Beliebtheit von Yue Fei. Er überzeugte den Kaiser davon, dass der loyale Yue Fei plane, den Kaiser zu stürzen. Zurück von der Schlacht, sollte Yue Fei wegen Verrat vor Gericht gebracht werden.
Yue Fei und seine Männer durchschauten das sofort als einen Trick. Yue Fei wurde von seinen Soldaten gebeten, zu bleiben, aber Yue Fei – loyal bis zum Tode – entschied sich, zurück zu kehren und sein Leben in die Hände des Kaisers und der Dynastie zu legen.
Zurück im Palast und in den Händen von Qin Hui, wurde Yue Fei seiner Macht enthoben. Die Front, die er verteidigt hatte, fiel. „Die Anstrengungen von zehn Jahren im Handumdrehen zerstört“, sagte Yue Fei. Nachdem Qin Hui, zusammen mit seiner Frau, auch nach Monaten der Folter keinerlei Beweis oder Geständnis aus Yue Fei heraus bekamen, ließen sie ihn einfach hinrichten.
Der „verrückte“ Mönch
Als das überall im Land bekannt wurde, wuchs die Beliebtheit von Yue Fei noch mehr, und Qin Hui wurde im ganzen Land der verhassteste Mann.
Eines Tages besuchten Qin Hui und seine Frau den buddhistischen Tempel von Lingyin, um sich wahrsagen zu lassen. Er erwartete unterwürfige, Glück verheißende Voraussagen, aber stattdessen wurde Qin Hui plötzlich mit einem Besen ins Gesicht geschlagen. Ein scheinbar verrückter Mönch – eigentlich ein getarnter Weiser – nutzte seine magischen Kräfte, um das Ehepaar wegzufegen.
So begann für Qin Hui das Zurückzahlen, das für ihn noch heute weiter geht, als eiserner Spucknapf und indem er jeden Morgen in siedendem Öl versengt wird.
16. Februar 2014