Eine alte chinesische Lebensweisheit: Akupressur
Die Alte-Lebensweisheiten-Serie stützt sich auf die Weisheit von 5000 Jahren chinesischer Zivilisation und stellt Ideen und Inspirationen vor, die wir heute anwenden können.
An einem klaren Frühlingsmorgen kam unsere Gruppe am Théâtre du Passage von Neuchâtel in der Schweiz an. Wir wärmten uns hinter den Kulissen auf, bevor wir ein charmantes chinesisch-schweizerisches Mittagessen genossen. Alles war so normal, wie es nur sein konnte.
Am Nachmittag wartete ich auf der Seitenbühne darauf, mit der Stellprobe fortzufahren. Wir bekamen unseren Hinweis und begannen uns zu bewegen. Plötzlich …
„Ah Betty, du blutest!“, sagte jemand. Und das tat ich. Aus meiner Nase lief ein blutiger Sturzbach. Ganz klar, ein Tänzer, der vor der Premierennacht lebensnotwendige Flüssigkeit vergießt, war etwas, das man nicht ignorieren konnte. In null Komma nichts hatten die ortsansässigen Mitarbeiter mich auf einer Couch festgesetzt.
„Ich weiß den Druckpunkt!“, war sich mehr als eine Dame sicher.
„Es ist der Ringfinger!“
„Nein, Mittel!”
„Aber auf der anderen Seite!“
„Hals! Hals!”
Schnell wurde ich an vielen Stellen gedrückt. Nach einiger dramatischer, aber lustiger Konfusion hörte das Bluten auf. Und es brachte mich zum Grübeln … welcher Punkt hatte zu diesem Ergebnis geführt?
Noch eine uralte Kunst
In vielerlei Hinsicht liegen Welten zwischen traditioneller chinesischer Medizin und moderner westlicher Medizin. Chinesische Medizin glaubt, das Universum und der menschliche Körper stünden miteinander in Wechselbeziehungen. Das Universum sei eine makroskopische Manifestation des Körpers – und umgekehrt existierten mikroskopische Verkörperungen des Universums im Körper.
Der Körper wird als ganzheitliches Gebilde, anstatt als separate Systeme (Organe, Skelett, Nervensystem etc.) betrachtet. Vitale Energie (Qi) fließt durch Bahnen (Meridiane), die den ganzen Körper durchziehen, um die ganze Person zu regulieren.
Altertümliche Behandlungen haben auch ohne Computertomografie, Roboterchirurgie oder Kernspinresonanz funktioniert. Bei der Akupressur werden Schlüsselpunkte massiert, um blockiertes Qi frei in die Energiekanäle laufen zu lassen. Ordnungsgemäße Zirkulation hält glücklich, gesund und unversehrt. Heute verbinden Wissenschaftler Akupressur mit bioelektrischen Impulsen, Endorphinen und Schmerzsignal-Übertragungen.
Wie alle traditionellen chinesischen Disziplinen beinhaltet Akupressur Ebenen tieferer Bedeutung. Jeder Druckpunkt hat einen Namen, der seine Signifikanz kennzeichnet. Wenn ihnen aber die westliche Namensgebung Zahlen und Buchstaben zuordnet, gehen sowohl die oberflächliche Bedeutung des Punktes, als auch die tieferliegenden Bedeutungs-Ebenen verloren. Hier einige Beispiele.
Nützliche Hinweise
Während des Reisens, was wir ungefähr ein halbes Jahr lang tun, ist es für uns manchmal unausweichlich uns etwas schlapp zu fühlen. Wie würden die Alten dieses Leiden behandelt haben?
„Tal des Zusammenschlusses“ – der Allzweck-Booster (合谷)
Wo: Auf dem Handrücken, zwischen den Knochen, die zu Daumen und Zeigefinger führen.
Hilft gegen: verstopfte oder laufende Nase, Kopfschmerzen, rauen Hals, Niesen und Allergiesymptome, Fieber und Erkältungssymptome. Wirkt erleichternd bei Stress, entspannt die Muskeln, stärkt das Abwehrsystem. (*Nicht in der Schwangerschaft massieren, kann Wehen einleiten.)
„Fuß drei Meilen“ – Verdauung (足 三里)
Wo: Außen am Schienbein, vier Fingerbreit unterhalb des Knies. Wenn man das Gelenk beugt, erscheint ein Muskel.
Hilft gegen: Soldaten massierten diesen Punkt alle drei Meilen beim Marschieren, für generelles Wohlbefinden und energetische Stärkung. Hilft gegen Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen. Harmonisiert den Magen, Milz und den Darm. Regt die Blut- und Qi-Zirkulation an.
„Innerer Pass“ – Reisekrankheit (內 關)
Wo: Mit der Handfläche nach oben, zwei Fingerbreit nach unten von der Mitte der Handgelenksfalte aus.
Hilft gegen: Übelkeit durch Reisekrankheit, Angstgefühl, Magenverstimmung, Morgenübelkeit etc.
„Tor zum Geist“ – Schlaflosigkeit (神門)
Wo: Handfläche nach oben, in der Mulde auf der roten Seite des Handgelenks.
Hilft gegen: Schlaflosigkeit, die durch die Nerven verursacht wird, überaktive Gedanken und Überreiztheit. Entspannt Herz und Geist.
Was ist nun mit dem Nasenbluten? Da der Körper ein vernetztes Ganzes ist, gibt es viele Punkte gegen die meisten Beschwerden und auch Punkte, die zusammenarbeiten. Mehrere Punkte, von Kopf bis Fuß, helfen gegen Nasenbluten. Hier sind vier davon:
„Strahlende Augen“ (睛 明 ) – hilft auch bei Augenbeschwerden. Wo: In der Vertiefung der Tränendrüse und oberhalb.
„Maximale Öffnung“ (孔最) – schafft zusammen mit „Willkommensduft“ Erleichterung bei Nebenhöhlenproblemen. Wo: sieben Fingerbreit über der Handgelenksfalte. „Willkommensduft“ befindet sich neben dem Nasenloch auf der Lachfalte.
„Himmlische Residenz“ (天府) – Auch für Beschwerden der Lunge. Wo: drei Fingerbreit unter der Achselhöhle, zwischen den Schulter- und Bizepsmuskeln.
„Verborgenes Weiß“ (隱白) – auch um Blut zu regulieren. Wo: in der inneren Ecke des großen Zehnagels.
Ehrwürdige Weisheit
Vielleicht können wir alle auf alte Weisheiten zurückgreifen, um davon für unser Leben zu profitieren. Es mag paradox erscheinen zu denken, die Alten wussten etwas, das wir nicht wissen, aber wenn wir über unsere glatten Apparate hinaus schauen, können wir erkennen, dass die alten Wege manchmal, obwohl sie scheinbar simpler sind, ihre Effektivität haben und praktisch sind.
Warnung: Sie können diese Punkte ausprobieren, aber massieren Sie sie nicht zu intensiv. Dies sind lediglich Fingerzeige aus der traditionellen chinesischen Kultur. Es ist keine Alternative zu einer benötigten medizinischen Behandlung und wird hier nicht als medizinischer Rat, sondern nur als interessantes Thema zur Sprache gebracht.
Betty Wang
Gastautorin
5. April 2015