Ein neues Weihnachten
Ich erinnere mich, dass meine Schwester und ich, als wir noch klein waren, früher als alle anderen aufwachten, aus dem Bett sprangen und zu unserem Christbaum rannten. Er war mit allem möglichen dekoriert, was man sich nur vorstellen kann: von typischem Schmuck und Weihnachtslichtern bis zu Papierschneeflocken und Zuckerstangen über dem Verfallsdatum. Weil ich in San Jose, Kalifornien, aufwuchs, bastelten wir keine Schneeengel und bauten auch keine Schneemänner. Daher war ich immer belustigt von dieser Baumwolldecke, die meine Eltern unter dem Baum ausbreiteten. Sie sollte unsere Vorstellungskraft dahingehend auslösen, dass wir uns dachten, unser Wohnzimmerteppich sei tatsächlich aus Schnee und würde uns in ein Winterwunderland entführen. Auf diesem Schnee saßen die Geschenke und Süßigkeiten, die alle wunderschön in farbenfrohes Papier mit Schleifen und Bändern gepackt waren. Wenn dann unsere Eltern endlich aufgewacht waren, hatten wir bereits jedes einzelne davon ausgepackt. Dann bedienten wir uns mit einer herzerwärmenden Tasse heißer Schokolade, auf der ein riesiger Marshmallow schwamm.
Heute ist Weihnachten. Doch in diesem Jahr schaut Weihnachten ganz anders aus.
Weihnachten ist eine lange Busfahrt auf dem halben Weg von Houston nach San Francisco, es gibt keine heiße Schokolade mit Marshmallows. Keinen Christbaum mit falschem Schnee unter seinen Füßen, keine Socken für Santa Claus zum Füllen. Keinen Kamin, aus dem sich dieser fröhliche alte Mann herausquetscht. Es gibt nicht einmal ein Dach, auf dem er seinen Schlitten parken kann. Weihnachten heißt dieses Mal belegte Brote zum Mittagessen und wacklige Augen vom Schauen der chinesischen Fernsehfilme. Nur die Pausenplätze und Tankstellen zwischendurch liefern uns eine Ruhepause, eine Ausflucht und eine flüchtige Gelegenheit für ein wenig körperliche Bewegung.
Trotz des Mangels an Gemütlichkeit scheint jeder von uns gut gelaunt zu sein. Es ist etwas Besonderes, Weihnachten in einem Bus zu verbringen. Wir sind wie eine große Familie, kümmern uns gegenseitig, teilen das Essen, das Lachen und die Geschichten miteinander. Es ist egal, wo wir sind, so lange wir alle zusammen sind.
Bei Weihnachten geht es um das Schenken nicht um das, was man bekommt, und ich meine, dass wir an diesen Feiertagen unser Bestes geben.
Alison Chen
Gastautorin
26. Dezember 2010