Der fantastischfabelhafte Fan Shen
Dieser Tage las ich auf unserer Webseite einen Artikel – Sieben Unterschiede zwischen Ballett und klassischem chinesischem Tanz. Und als ich zu dem Absatz über Techniken kam, merkte ich, dass eine Technik des klassischen chinesischen Tanzes vernachlässigt worden war, die von jeher mein Favorit war und ist! Und daher denke ich, es ist an der Zeit, den „fan shen“ einmal ordentlich vorzustellen.
Der klassische chinesische Tanz rühmt sich seines Reichtums an Techniken, von allerlei Sprüngen bis zu Pirouetten und Salti. Seine Sprünge erfordern sowohl Leichtigkeit als auch explosive Kraft; seine Drehungen beinhalten alle möglichen Ausdrucksformen und seine Sprungtechniken hoch in der Luft lassen Newton sprachlos werden.
Unter diesen Techniken gibt es eine Kategorie, die für die westliche Welt noch immer neu ist – und sie kommt noch immer exklusiv im klassischen chinesischen Tanz vor. Man kann sie als Drehung bezeichnen, bei der der Körper geneigt ist; manchmal wird sie als „Flip“ übersetzt, es ist aber keine Bodenturntechnik. Und doch, obwohl es dafür keinen passenden englischen Ausdruck gibt, ist sie eine der am häufigsten im klassischen chinesischen Tanz benutzten Bewegungen, und sie ist auch oft bei Shen Yun zu sehen.
Und so ist es also an der Zeit, dass ich dieser Technik, dem fan shen, ein bisschen Gerechtigkeit widerfahren lasse.
Fān shēn (翻身) wird FAHN-shen ausgesprochen, wörtlich bedeutet es „den Körper herumdrehen“. Es ist nicht nur eine besondere Technik des Drehens, der Tänzer muss seinen Körper auch gebeugt halten, während er gleichzeitig seine beiden Arme in der Vertikalen streckt. Bei korrekter Ausführung sollte der Tänzer einem sich drehenden Ventilator gleichen, und alles wird verschwommen. Und da wir Tänzerinnen das so häufig machen, steht der fan shen auf unserer To-Do-Liste der Techniken ganz oben.
Ich liebe fan shens, denn sie sind so vielseitig zu verwenden: Sie können langsam oder schnell sein, an einem Platz oder während der Fortbewegung ausgeführt werden. Als Basis für Anfänger gibt es den dian bu fan shen (點步翻身), bei dem man bei der Drehung auf ein und derselben Stelle bleibt. Dann ist da der xi tui fan shen (吸腿翻身), dabei dreht man sich auf einem Bein (ähnlich wie ein Flamingo).
Dann gibt es noch den tan hai fan shen (探海翻身) — dabei streckt man das hintere Bein und dreht sich dann langsam zur Seite. Mit dem chuan fan shen (串翻身) fügst du deinem Schritt noch einen kleinen Sprung hinzu und jagst in hoher Geschwindigkeit über die Bühne. Zu alledem kannst du sogar noch einen a jiao tui beng zi(絞腿蹦子) machen, — das ist, wenn du in der Luft einen vollständigen Kreis vollbringst UND den Körper dabei geneigt hast.
Fan shens sind wunderbar, um fast alle unterschiedlichen Bewegungen, Positionen und Techniken miteinander zu verbinden. Sie sind wie Verbindungsstücke des klassischen chinesischen Tanzes — fast so geläufig wie Wenns und Unds oder Abers. Aber, wenn das noch nicht reicht, fan shens sind toll, um die Vielfalt von Oberteilen, Ärmeln und Bändern zur Geltung zu bringen, indem sie Tänzer in wirbelnde Farbscheiben verwandeln.
Das Beste am fan shen ist, dass er die Geometrie des klassischen chinesischen Tanzes wie in einer Nussschale zeigt. Der klassische chinesische Tanz ist eine ganz auf Rundungen beruhende Kunstform — fast jede Bewegung ist kreisförmig — und wenn irgendjemand Technik als Schönheit bezeichnen würde, dann fiele meine Wahl auf den fan shen.
Möchten Sie noch mehr fan shens in Aktion sehen? In diesem Video von hinter den Kulissen gibt die Erste Tänzerin Angelia Wang eine kleine Einführung in die Technik. Weitere fan shens finden Sie hier.
Alison Chen
Gastautorin
25. April 2015