Tanzendes Alphabet - was Sie nie gedruckt sehen werden
Viele Neujahrsvorsätze fallen wegen der unrealistischen Erwartungen flach, also habe ich es für 2012 vereinfacht. Die Liste ist immer noch in Bearbeitung (hey, das chinesische Neujahr ist erst am 23.) aber eine Sache ist festgelegt: dieses Jahr während meiner Freizeit zwischen Proben und Aufführungen, werde ich das englische Alphabet lernen.
In der Grundschule war das Schreibschrift-Alphabet eines meiner größten Inspirationen. In meinem Klassenzimmer hing ein laminiertes Spruchband mit Buchstaben von A bis Z über der Tafel. Manchmal wenn ich doppelte Division oder Bandwurmsätze bearbeitete und dies mir zu viel zu ertragen wurde, schaute ich nach oben für Unterweisung. Dann lächelten die Handschrift-Buchstaben gütig, bis alles wieder gut war.
Mein Lehrer brachte uns in der dritten Klasse die kursive Schreibart bei. Ich liebte diese Lektionen, fand eine unaufhörliche Freude und Nervenkitzel darin, die Buchstaben in meinem Übungsbuch zu verfolgen. Um ehrlich zu sein waren sie wackelige, zittrige Exemplare — so als ob das Alphabet einen extra starken doppelten Espresso zu sich genommen hätte — aber A versicherte mir, dass Übung den Meister macht, eines Tages.
A und B waren meine besten Freunde in der Klasse. Sie versuchten immer mit mir nach Hause zu schleichen, in der Regel indem sie sich auf der letzten Seite meiner Prüfungen oder Hausaufgaben versteckten. Meine Eltern gaben ihnen gerne einen Ehrenplatz am Esstisch. Unglücklicherweise wurde dadurch C eifersüchtig. Bei meinem nächsten Mathetest, versetzte er sich in die Lage von A und B. Mama hatte das Lieblingsgericht von A gemacht und war enttäuscht von dem ungebetenen Gast. Papa war empört von der Unhöflichkeit von C und zeigte ihm die ganze Nacht die kalte Schulter. Der arme C zeigte nur selten wieder sein Gesicht.
In späteren Jahren verlangten die Lehrer, dass wir unsere Papiere mit Maschine schreiben, um schlechte Handschrift zu vermeiden. Der Computerbildschirm zwang A und mich (die Person, nicht den Buchstaben) in eine Fernbeziehung. Oh sicher, hatten wir immer noch Geheimnisse und erschufen literarische Meisterwerke, aber etwas war anders. Wir trieben auseinander.
Eines Tages entwarf ich einen Dankesbrief. Sehr geehrter Herr, ich dachte so beginne ich damit. Dann, als mein Kugelschreiber das Papier berührte, hielt ich inne. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, wie man ein kursives D schreibt. Als ich eine halbe Seite mit möglichen Kandidaten vollschrieb, was meinem Gedächtnis auch nicht auf die Sprünge half, habe ich es dann gegoogelt. Die Bildergebnisse des kursiven Alphabets überwältigten mich mit Nostalgie.
Jahrelanges tippen von Schulpapieren hatten mich geschult in Druckschrift zu schreiben. Manchmal schlich sich eine Schleife oder ein Wirbel ein, um mein T oder H zu betonen, aber ich fühlte mich danach immer etwas schuldig. Das Klassenzimmer war kein Ort für modische Buchstaben. Sogar das Jahrhundertschulbuch war verspottet als altmodisch und veraltet. Nein, die heiligen Hallen der akademischen Welt waren beherrscht von Legionen der Schriftarten wie Times New Roman und seinen Kohorten Veranda und Arial.
Aber tief drinnen wusste ich, dass ich geboren wurde, um in Schreibschrift zu schreiben. Und deshalb begann ich weiter in der Vergangenheit zu suchen — zu einer Zeit, als das Akzentuieren der Buchstaben mit Schnörkeln die Norm war. Eine Zeit als Kugelschreiber von Hand nachgefüllt wurden und ein Schriftsteller durch die Tintenflecke an seinen Fingern identifiziert werden konnte.
Ein Füllfederhalter war der Erste, der meine Bemühungen erwiderte. Er stellte mich seiner Großmutter vor, einem Federhalter. Trotz unserer Altersunterschiede wurden wir schnell Freunde. Nun lehrt mich dieser ehrwürdige Ältere die Nuancen der gestochenen Handschrift — Englisch runde Hand, eine Art kursiv-Stil-Kalligraphie.
Wenn Tanz wie Poesie in Bewegung ist, dann ist Schreibschrift wie Walzer mit einem Stift. Jeder Buchstabe ist ein Solist dessen Kurven, Punkte oder Striche mit Charakter und Charisma anschwellen. Die Worte als tanzende Sätze kombinieren, mit dem Absatz als ihr Programm und die Seite als die Bühne. Für chinesische Zeichen ersetzt der Pinsel den westlichen Federhalter, doch beide sind fließend in der Sprache von Eleganz und Schönheit.
Gestern versuchte ich ein gestochenes „A“ zu schreiben. Eine Seite war rau und fleckig, so als ob A gerade von einem langen, langen Schlaf aufgewacht ist. Aber die andere Seite hatte eine umgedrehte Kurve, fast so wie ein Lächeln.
Jade Zhan
Gastautorin
17. Januar 2012