Vier Dinge, die ich gelernt habe
Da Thanksgiving vor der Tür steht, komme ich nicht umhin zu denken: „Wow, wo ist das Jahr hin?“ Vielleicht sind gerade die meisten Amerikaner dabei, ihre Truthähne zu füllen und denken dabei darüber nach, wofür sie dankbar sind. Hier am Stammsitz von Shen Yun sind wir dabei Packlisten zu erstellen und an all die Dinge zu denken, die wir noch zu tun haben, und den letzten Monat vor der Tour mit so vielen Proben wie möglich vollzupacken. Es ist eine arbeitsreiche Jahreszeit für uns - Feiertage? Gar nicht daran zu denken.
Obwohl wir nicht viel Zeit für gemütliche Treffen haben, setzen wir uns immer noch mit Freunden zum Mittag- oder Abendessen zusammen und ermuntern uns gegenseitig. Normalerweise merke ich zu dieser Jahreszeit, wie schnell die Zeit verflogen ist – wieder einmal. Dabei fällt mir ein, dass dies mein zehntes Jahr bei Shen Yun ist.
Ich erinnere mich an meine allererste Probe. Als junge Auszubildende ohne große Erfahrung hörte ich sofort auf zu spielen, nachdem der Einsatz für mein Schlagzeugsolo gekommen war, weil alle anderen aufgehört hatten zu spielen. Mit aufgerissenen Augen starrte ich den Dirigenten an, der zurückstarrte. Ich erinnere mich an Tage, an denen ich so frustriert war, dass ich in Tränen ausbrach und es sich so anfühlte, als wenn ich nicht weitermachen könnte. Ich erinnere mich, dass ich um Mitternacht schlafen ging und um drei Uhr morgens zum Üben aufwachte. Ich erinnere mich an die Angst, Fehler zu machen, die Erwartungen nicht zu erfüllen, mich und alle anderen im Stich zu lassen.
Aber ich erinnere mich auch an die Nächte, die ich lachend und unterhaltend mit Freunden verbracht habe. Ich erinnere mich an all die Unterstützung und Ermutigung, die ich erhalten habe. Ich erinnere mich an den Blick auf den Gesichtern der Menschen im Publikum, wenn sich der Vorhang öffnet.
In zehn Jahren kann sich viel ändern. Ich habe miterlebt, wie Shen Yun von drei Tournee-Kompanien auf sieben angewachsen ist. Ich habe gesehen, wie Grünschnäbel zu Toptänzern aufgestiegen sind. Ich habe mich von einem pessimistischen, selbstsüchtigen Teenager zu einem jungen Erwachsenen voller Hoffnung und Mut entwickelt.
Es gibt viele Dinge, für die ich dankbar bin, aber in der Lage zu sein, sich Shen Yun anzuschließen und den Weg eines Künstlers zu gehen, ist das Erste, wofür ich dankbar bin. Wenn ich auf meine Jahre hier zurückblicke, habe ich vor allem vier Dinge gelernt.
1. Willenskraft
Ich sehe Willenskraft in jedem Einzelnen – Tänzer, Musiker, Choreografen, Komponisten, Produktionsmitglieder. Willenskraft ist ein starker Faktor, der viele Menschen dazu bringt, die Dinge zu tun, die sie tun müssen, unabhängig von der Aufgabenstellung. Tatsächlich nehmen Menschen mit starkem Willen eine Herausforderung mit offenen Armen an und kämpfen sich ohne zu zögern durch sie hindurch.
Im Jahr 2011, als ich mit unserer Kompanie in Südkorea auftrat, standen unsere Shows kurz davor, auf Druck der Kommunistischen Partei Chinas abgesagt zu werden. Aber unser Tourmanager und der lokale Veranstalter haben nicht aufgegeben. Mit Entschlossenheit und Willenskraft überzeugten wir und konnten erfolgreich auftreten.
2. Durchhaltevermögen
Man kann Willenskraft nur mit Ausdauer aufrechterhalten. Trotz Rückschlägen, Schwierigkeiten und Härten, manchmal tagelang ununterbrochen bis zum Ende durchzuhalten, stellt unsere Entschlossenheit bisweilen wirklich auf die Probe.
Viele Shen Yun-Mitglieder folgen der Praxis des Falun Dafa, die Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht lehrt. Ich habe gesehen, wie diese friedliche meditative Praxis eine stärkende Wirkung auf die Darsteller hat. „Geist hat mehr Einfluss als Materie“, richtig? Viele Künstler bei Shen Yun folgen diesem Satz. Wenn man wirklich standhaft ist, können Wunder geschehen. Über Verletzungen, die plötzlich verschwinden, bis hin zu aussichtslosen Situationen, die sich wenden – gibt es zu viele, um sie alle zu nennen.
3. Zusammenarbeit und Selbstlosigkeit
Die Zusammenarbeit ist es, die ein Unternehmen für darstellende Kunst stark macht. Man könnte sagen: „Shen Yun hat wirklich gute Teamarbeit.“ Aber ich würde eher sagen: „“Shen Yun ist eine große Familie.“ Zusammenarbeit durchdringt jeden Aspekt unseres Lebens, und ich glaube, das ist nur möglich, weil Menschen selbstlos sind.
Ich habe gelernt, dass durch die Bereitschaft, meine persönlichen Präferenzen aufzugeben, die Zusammenarbeit selbstverständlich ist und Aufgaben schnell und reibungslos erledigt werden. Selbst wenn ich nicht bereit war, meine eigenen Sachen loszulassen, waren andere Leute bereit, ihre niederzulegen, nur damit unsere kleine Meinungsverschiedenheit die Gesamtaufgabe nicht behindern würde.
Als ich sah, wie Tanzkompanie- und Orchestermanager als Letzte von allen dran kamen, nur um zu garantieren, dass alle anderen Mitglieder das Beste bekommen, lernte ich auch, was Achtsamkeit heißt. Ich glaube, dass sich dieses Gefühl der Selbstlosigkeit nicht nur in unserem täglichen Leben widerspiegelt, sondern auch in der Art unseres Auftritts. Wir wollen den Menschen das Beste geben. Jedes Mal.
4. Dankbarkeit
Am wichtigsten ist, dass ich gelernt habe, wirklich dankbar zu sein. Nicht nur dankbar für alles, was ich habe, sondern auch dankbar für all die Erfahrungen und wie das Miteinander bei Shen Yun mich zu einem neuen Menschen gemacht hat. Nicht jeder kann sagen, dass er stolz auf seine Erfolge und Misserfolge ist, aber ich habe erkannt, dass wir zwar Fehler vermeiden sollten, aber auch viel von ihnen lernen.
Ich habe mich immer auf meine Mängel konzentriert. Ich habe alle Eigenschaften, die ich an mir selbst nicht mochte, überprüft und kritisiert. Aber wenn wir das alle ständig tun würden, wie würden wir uns dann aufrichten und danach streben, es besser zu machen? Das Jahrzehnt, das ich mit Shen Yun verbracht habe, hat mir Ausdauer und Kraft gegeben und mir gezeigt, auch in trostlosen Momenten das Positive und die Hoffnung zu sehen.
Ich weiß, dass jedes Mitglied von Shen Yun eine beeindruckende Geschichte zu erzählen hat und ich bin nur ein Teil des Ganzen. Ich kann meine Verbundenheit gegenüber Shen Yun und dem, was mir alle hier gelehrt und geholfen haben, nicht in Worte fassen. Ich werde mein Bestes tun, um die Prinzipien, die ich gelernt habe, zu vertreten und zu verbreiten. Ich hoffe, mehr zur Mission von Shen Yun beizutragen und alle Herausforderungen mit dem gleichen Mut und der gleichen Würde anzugehen, wie sie jeder hier hat.
Tiffany Yu
Schlagwerkerin