Mit den Zahlen leben
Zahlen wurden mit unterschiedlichen Bedeutungen erschaffen.
Vor Kurzem erreichten wir 10.000 „Gefällt mir“ auf unserer Shen Yun Facebook-Seite, aber nach chinesischer Tradition würde ich dabei eher an 9.999 plus eins denken. 9.999 entspricht dem Empfinden meiner asiatischen Seele, während das Verständnis für vier Nullen und eine mickrige Eins fehlt.
Aber sind die Zahlen nicht nur Zahlen? Nicht in einem Land mit 5.000 Jahren Geschichte. Hier hat jede Ziffer ihren eigenen Tag, jede Zahl hat ihre Bedeutung und ganze Zahlen sind ein integraler Bestandteil des Lebens. Deshalb hier ein Überblick über die zehn großen Zahlen.
Die Guten
9: Auf Chinesisch wird neun jiu ausgesprochen, was auch „langlebig“ bedeutet. Als höchste einstellige Ziffer steht sie für ein Höchstmaß an sterblicher Freude, Langlebigkeit und Glück. Eine perfekte Zehn ist den Göttern vorbehalten. Typisches Beispiel: in Bezug auf den Himmel hat die Verbotene Stadt in Peking 9999,5 Zimmer und liegt damit ganz knapp unter den makellosen 10.000.
8: Acht oder ba wird im kantonesischen Dialekt fa ausgesprochen, was auch „gedeihen“ bedeutet (wie es auch der beliebte Gruß ausdrückt: „kung hei fa choi“ – „Glückliches neues Jahr und werdet erfolgreich!“
Die Zahl 8 mit ihrer Möbiusband-ähnlichen Form steht für einen endlosen Kreislauf von Wohlstand und Glück. Sie ist die Glückszahl für Unternehmen, Nummernschilder, Telefonnummern, Apartment-Wohnungen und alles andere — alles aufgrund eines glücklichen Wortspiels. Viele Fluggesellschaften mit Flügen nach Asien reservieren sogar Flugnummern mit einer dreifachen Acht als Glücksbringer.
Wenn man noch einen Schritt weiter geht, könnte man meinen, dass zwei Achter nebeneinander (wie bei der 88) optisch den Ausdruck „doppeltes Glück“ (shuang xi) darstellen, der typischerweise bei Hochzeiten für Freude sorgen soll.
6: Sechs auf Mandarin ist liu, ein Homophon für „fließend“ oder „flüssig“. Logischerweise ergibt sich daraus, dass der Fortschritt, der nicht behindert wird, im Fluss bleibt. Deshalb glauben die Menschen, dass sechs ein gutes Zeichen (oder Datum oder Uhrzeit oder jede Art von Maßangabe) ist, um das zu bekommen, was sie mit einem Minimum an Aufwand erreichen möchten. Weniger Schmerzen, mehr Gewinn, für jeden?
2: In der chinesischen Kultur gelten gerade Zahlen als stabil und ausgeglichen und haben etwas Gutes an sich. Zwei ist das klassische Beispiel wie es dem Spruch: „Gute Dinge kommen in Paaren“ entspricht. Geschenke werden bei wichtigen Anlässen in der Regel paarweise präsentiert.
Die Kraft der Zwei ist auch eine mächtige Kraft zur Verdoppelung des eigenen Glücks wie es auch 88 und 99 (oder noch besser 9.999 …) sind. Aber nutze sie mit Weisheit, damit du stattdessen nicht dein Pech verdoppelst!
Die Schlechten
4: Vier steht in China für ein gutes Leben. Sie war eine typische gerade Zahl mit Stabilität und Ausgeglichenheit. Nach traditionellem Verständnis wurden die vier Himmelsrichtungen von vier Fabelwesen bewacht. Das Kaninchen, auch das vierte Tier im chinesischen Tierkreis, gilt als eines der glücklichsten Zeichen. Dann, eines Tages, erkannte jemand, dass die Zahl vier wie das Wort für Tod oder wie si klang und seitdem ging mit es mit ihr ganz bergab.
In vielen Teilen Asiens vermeiden Gebäude, Busse und Handelswaren vier wie die Pest. In einigen Hotels kommt nach der dritten gleich die fünfte Etage und in Wolkenkratzern werden die Etagen 40-49 vollständig übersprungen.
7: Eigentlich ist an der Sieben nicht alles schlecht — der chinesische Valentinstag fällt auf den siebten Tag des siebten Mondmonats und viele halten sie immer noch für eine Glückszahl. Als Homophon wird sieben Qi ausgesprochen, was entweder „Frau“ oder „Wut“ bedeuten kann. Aber es gibt noch mehr unangenehme Assoziationen.
Für den siebten Monat des chinesischen Kalenders gibt es auch einen zweiten Namen: Geistermonat. In der Folklore heißt es, dass sich am 15. die Pforten der Hölle für alle Geister öffnen, womit ihnen erlaubt wird, Angebote für Speis´ und Trank aus der lebendigen Welt anzunehmen. Die meisten dieser Geister sind nur typische gewöhnliche Vorfahren, die für ein Wiedersehen zurückkehren, aber die Menschen neigen dazu, zu ihrer Sicherheit nach Einbruch der Dunkelheit im Haus zu bleiben.
Wenn man noch weiter geht, trifft man auf die Sieben im Quadrat, die 49, eine Zahl, die in vielen religiösen Ritualen bei chinesischen Beerdigungen verwendet wird. Die Toten sollen 49 Tage nach dem Tod in der Welt der Lebenden verweilen und die Tradition bestimmt, dass bis dahin über den Körper Wache gehalten wird.
Die Restlichen
0: Hier gibt es nichts. Buchstäblich.
1: Individualität, Einheit und Konzentration. Wenn zwei Yin ist, dann ist eins Yang.
3: Drei ist eine Menge, eignet sich aber sehr für Gespräch und Kommunikation. Hier gibt es viel sicheren und neutralen Raum.
5: Ist notorisch wankelmütig. Fünf wird wu ausgesprochen, was im Chinesischen dem Charakter von „nichts“ oder „ohne“ entspricht. 521 klingt auf Chinesisch wie wu er yi und wenn man ein wenig kreativ ist oder die Wörter etwas verschiebt, klingt es mehr oder weniger wie wo ai ni, „ich liebe dich“.
In der chinesischen Kultur gibt es traditionell fünf Elemente (Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde), die das Gleichgewicht des Universums und des Lebens aufrechterhalten, wie wir es kennen. Zusammen mit der neun ergibt sich die 95 — eine Zahl für Kaiser. Die Neun genießt den Vorzug, die höchste einstellige ungerade Zahl zu sein und die Fünf, die weder am niedrigsten noch am höchsten ist, wirkt als ausgleichende Kraft.
Zum Schluss
(Aber warten Sie, es ist ein Epilog!) Wie die meisten Dinge im Leben, können Zahlen verschiedener Kombinationen unterschiedliche Bedeutungen haben. Eine Zahl wie 5354 (wu san wu si) klingt wie „nicht lebendig, nicht tot“ (oder „auf der Schwelle des Todes“) und 7456 (qi si wu liu) klingt mehr oder weniger wie „macht mich so wütend!“
Eine nicht so bedeutsame 1314 (yi san yi si) klingt wie „ein Leben, ein Todesfall“ oder mit etwas durch dick und dünn gehen. Die gut erzogene und glückliche Zwei nimmt in der Zahl 250 (er bai wu) eine andere Bedeutung an und klingt in nordchinesischer Umgangssprache so, als rufe jemand nach einem Tölpel. Auch das Maß der Gleichgültigkeit, 1337 (yi san san qi), wirkt weniger attraktiv, wenn man bedenkt, dass es „dein ganzes Leben lang wütend“ bedeuten könnte.
Wenn Sie Zweifel haben, halten Sie sich an die Zahlen, von denen Sie wissen, dass sie gut sind und quadrieren sie sie stattdessen. Denn es bleibt zu hoffen, dass wir uns wiedersehen, wenn wir mit der 99,999 (+1) ins Schwarze treffen!
Jade Zhan
Gastautorin
5. Februar 2013